Klassentreffen
das ja an Robins Bemerkungen über seinen Jähzorn, und ehrlich gesagt, gefällt mir diese Seite von Olaf ganz und gar nicht. Allerdings habe ich auch einen anderen Olaf kennen gelernt, und der gefällt mir durchaus.
Leise summend seife ich mich mit meinem Apfelduschgel ein. Olaf ist schon in Ordnung. Jedenfalls ist er nicht mehr so aufdringlich. Nicht jeder Mann hätte so viel Selbstbeherrschung, jetzt Frühstück zu machen, statt den Duschvorhang aufzuziehen und sich an mich heranzumachen. Die Wahrheit
ist, dass ich mit Olaf einfach Glück gehabt habe, ich weiß es nur noch nicht.
Ich drehe den Hahn zu und greife nach dem Handtuch.
»Willst du Kaffee oder Tee?«, ruft Olaf.
»Tee!«, rufe ich zurück und beuge mich vor, um meine Haare trocken zu rubbeln. Ich wickle das Handtuch um den Kopf und nehme ein zweites, um mich abzutrocknen.
»Vorhin hatte ich wieder einen schlimmen Traum. Wahrscheinlich kam das durch den verbrannten Toast.«
»Was hast du denn geträumt?«
»Dass meine Wohnung brennt und ich von den Flammen im Schlafzimmer eingeschlossen bin. Ich wollte auf den Balkon raus, aber plötzlich war die Balkontür nicht mehr da.« Nackt, nur mit dem Handtuch um den Kopf, gehe ich in mein Schlafzimmer und öffne den Kleiderschrank.
»Wahrscheinlich liegt das daran, dass du dir Renées Unfall zu Herzen genommen hast.« Olaf steht in der Tür und sieht mich an. Seltsamerweise ist mir das peinlich – als hätte er mich noch nie nackt gesehen. Schnell schlüpfe ich in BH und Slip und ziehe mir das erstbeste weiße T-Shirt über den Kopf.
»Das könnte sein. Unbewusst beschäftigt einen so was. Aber wie kann so ein Brand überhaupt entstehen?«
»In alten Häusern passiert so etwas schnell. Defekte Leitungen, was auch immer. Wenn du mich fragst, war’s ihr Fernseher. Sie hat so ein Uralt-Teil, da musste ja mal was schiefgehen.«
Olaf dreht sich um und geht wieder in die Küche. Ich höre ihn mit Wasserkocher und Kaffeemaschine hantieren.
Stirnrunzelnd fahre ich mit einem Bein in meine grauweiß gestreifte Hose. »Woher weißt du das?«, rufe ich. »Warst du schon mal bei ihr zu Hause?«
»Nein!«, ruft er zurück. »Das hat sie mir erzählt.«
Ich versuche, mir eine Unterhaltung über alte Fernseher vorzustellen. Ich versuche, mir überhaupt eine Unterhaltung zwischen Olaf und Renée vorzustellen. Er kann sie doch schließlich nicht leiden, oder?
Nach einem prüfenden Blick in den Spiegel gehe ich in die Küche und setze mich an den kleinen Tisch an der Wand. Mein Brot mit Erdbeeren steht bereit, daneben eine Tasse Tee.
Olaf setzt sich mir gegenüber, noch immer in der Unterhose, vor sich ein Spiegelei und einen Becher Kaffee.
»Ich wusste gar nicht, dass ihr so freundschaftlichen Umgang habt«, sage ich.
»Haben wir auch nicht. Ich kann das Weib nicht ausstehen, aber ab und zu redet man eben miteinander. Das lässt sich nun mal nicht vermeiden.«
»Stimmt«, gebe ich zu und sehe auf die Uhr. »Hör mal, wir sollten uns beeilen. In einer Viertelstunde müssen wir los.«
So schlimm ich das, was Renée passiert ist, auch finde, es ist doch herrlich ruhig ohne sie im Sekretariat. Eine ganz andere Art Stille als sonst. Automatisch erledige ich auch meine früheren Aufgaben wieder, die Renée an sich gerissen hatte. Da ich jetzt wieder Vollzeit arbeite, bin ich über alles im Büro auf dem Laufenden; ich leere also Renées Eingangskorb und lege ihren Terminkalender auf meinen Schreibtisch.
Nach ein paar Tagen wenden sich die Finanzberater und Sachbearbeiter wieder an mich, wenn sie Unterstützung brauchen – erst zögerlich und leicht verlegen.
»Renée hat ganz schön übertrieben mit ihrem Getratsche über dich«, meint Tessa. »Im Grunde fanden wir das alle. Ich
hab nicht mal die Hälfte von dem geglaubt, was sie so gesagt hat.«
Ich schweige.
»Nun gut«, fährt Tessa fort. »Was ich eigentlich sagen wollte: Ich brauche heute Nachmittag Hilfe. Ein umfangreiches Mailing muss raus. Hast du Zeit?«
»Klar.«
»Es kann aber ziemlich lange dauern. Bis sieben, würde ich mal schätzen.«
»Kein Problem. Wenn du mir bis zur Mittagspause Zeit gibst, die dringenden Sachen zu erledigen …«
»Ja, ist gut. Wollen wir das Ganze beim Essen besprechen?«
»Okay.«
Sie lächelt mir zu, und ich erwidere das Lächeln, auch wenn mein Blick reserviert bleibt.
Den Vormittag über schufte ich wie ein Pferd, um Renées Korb und meinen eigenen leer zu kriegen, aber das ist natürlich nicht zu
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