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Klassentreffen

Titel: Klassentreffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Vlugt
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verdaut hat, ein paar Käse-Schinken-Toasts machen.
    Ich schenke mir noch mal Tee ein, gucke ein bisschen fern, und eine Stunde später bekomme ich Appetit. Auf dem Weg in die Küche werfe ich einen Blick aus dem Fenster: Olaf steht immer noch vor dem Haus, jetzt allerdings auf einem frei gewordenen Parkplatz.
    Ich lege eine CD von Robbie Williams ein und singe laut und falsch mit, während ich Käse hoble, Schinken aus der Plastikverpackung nehme und Weißbrotscheiben damit belege.
    » Come undone!«, schmettere ich, und die Toasts im Sandwichgrill brutzeln rhythmisch mit.
    Ein Klingeln übertönt meinen Gesang. Ich gehe ans Telefon und merke erst dann, dass es die Türklingel ist – sie wird anhaltend gedrückt.
    Olaf. Ich brauche nicht aus dem Fenster zu gucken, um zu wissen, dass er es ist. Ich sehe ihn vor mir, in der gewohnten Haltung, eine Hand am Türrahmen und in ungeduldiger Erwartung leicht vorgebeugt.
    Ich ignoriere das Läuten. Als mein Handy klingelt, schaue ich auf das Display und sehe Olafs Namen. Ich schalte es aus
und stelle Robbie Williams lauter, um das nervtötende Türklingeln zu übertönen.
    Den ganzen Abend steht Olaf vor meiner Tür, klingelt, geht wieder, klingelt erneut, setzt sich ins Auto, veranstaltet ein Hupkonzert und quatscht meinen Anrufbeantworter voll.
    Erst als es dunkel wird, fährt er endlich weg. Zutiefst erleichtert gehe ich unter die Dusche und anschließend ins Bett. Ich weiß nicht, ob ich in dem Bewusstsein, dass Olaf mein Fenster anstiert, hätte schlafen können. Ob er morgen wiederkommt? Egal, das werde ich gar nicht erst abwarten; ich sehe zu, dass ich das Wochenende über fort bin. In Den Helder.

KAPITEL 30
    Am nächsten Morgen gehe ich gegen halb neun aus dem Haus, bevor Olaf uneingeladen vor meiner Tür steht. Ich habe unruhig geschlafen und von Olaf geträumt, nur weiß ich nicht mehr, was. Beim Aufwachen war ich wie gerädert, und die Wange hat mir an der Stelle, an der er mich geschlagen hat, leicht wehgetan.
    Das war das erste und letzte Mal, denke ich erbost auf dem Weg zum Auto. Ich steige ein, mache das Radio an und stelle die Thermosflasche mit frischem Kaffee in die Halterung. Bis Den Helder ist es eine gute Stunde Fahrt, das schaffe ich ohne Kaffee nicht.
    Ich fahre los und seufze tief, als ich Amsterdam hinter mir gelassen habe. Auf nach Den Helder! Ein langer Tag liegt vor mir. Zum Glück ist nicht viel Verkehr, denn meine Gedanken schweifen ab; es fällt mir schwer, mich auf die Straße zu konzentrieren. Ich bleibe die ganze Zeit auf der rechten Spur, überhole nur, wenn es unbedingt nötig ist, und trinke zwischendurch immer wieder einen Schluck Kaffee.
    Kurz vor Den Helder biege ich ab und fahre in das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Die vielen Innenhöfe und Plätze der Neubausiedlungen aus den Siebzigerjahren müssen für jeden neuen Briefträger eine Qual sein – die Hausnummerierung ist völlig unlogisch, was die Orientierung in diesem Labyrinth nicht gerade erleichtert. Aber wo Isabel gewohnt hat, weiß ich noch genau.
    Es ist früh, gerade mal halb zehn, trotzdem parke ich das Auto, steige aus und gehe auf das Haus zu. Der Vorgarten
sieht noch genauso aus wie damals: Holzblumenkästen voller Geranien. Ein mit Ranken verziertes Schild an der Hauswand verrät, dass hier Elsbeth, Luuk, Isabel und Charlot Hartman wohnen.
    Ich betrachte das Schild lange, bevor ich klingle.
    Niemand öffnet. An die Möglichkeit, dass keiner zu Hause sein könnte, habe ich nicht eine Sekunde lang gedacht – blöd von mir. Als ich mich gerade zum Gehen wenden will, wird die Haustür geöffnet. Eine relativ kleine, dunkelhaarige Frau von etwa fünfzig sieht mich an. Erst denke ich, dass sie mich schon erkennen wird, aber dem ist nicht so: Fragend zieht sie die Augenbrauen hoch.
    »Kennen Sie mich nicht mehr?«, sage ich. »Sabine Kroese.«
    Jetzt sieht sie mich nicht mehr fragend, sondern überrascht an. Elsbeth Hartman schlägt sich die Hand vor den Mund. »Sabine?«, flüstert sie. »Ach ja, jetzt seh ich’s! Was machst du denn hier?« Sie merkt wohl, dass das nicht eben gastfreundlich klingt, denn sie macht sofort die Tür weit auf. »Komm doch rein, Mädchen. Ich bin ganz verdattert, weißt du! Wie nett, dich mal wieder zu sehen! Bist zu zufällig hier in der Gegend?«
    »Demnächst soll ein Klassentreffen stattfinden«, sage ich und trete in den schmalen Flur.
    »Ja, davon hab ich in der Zeitung gelesen. Gehst du hin?«
    »Ich weiß noch nicht.«
    Elsbeth

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