Klatschmohn
registrierte unruhig, wie wenig Zeit uns noch blieb. Schließlich hörte ich, wie ihr Flug aufgerufen wurde. Alles in mir schrie: »Lass sie nicht so gehen!« Ich merkte, dass es ihr sichtlich schwer fiel, sich zu verabschieden. Doch weder sie noch ich getrauten uns, nach der Karte des anderen zu fragen. Sie stand auf, und ihre elegante Erscheinung zog die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. In diesem Moment nahm ich all meinen Mut zusammen, lief ihr hinterher, fasste sie an der Schulter und rief:
»Gehen Sie nicht!«
Sie war so verblüfft wie erfreut und lachte erleichtert.
»Ich dachte schon, Sie würden nie fragen«, antwortete sie auf Französisch.
Sie stornierte den Flug nach Paris und kam mit mir.
Celeste war einfach hinreißend. Sie hatte Klasse, brachte mir die französische Kultur näher und war aufregend. Anfangs war alles geradezu märchenhaft. Sie lernte immer besser Deutsch, flog zu verschiedenen Modeljobs nach Mailand oder Paris, manchmal auch New York, das aber zum Glück seltener.
Doch nach einiger Zeit wirkte Celeste nicht mehr so glücklich wie zu Anfang. Sie vermisste Frankreich, Paris, ihre Freunde und vor allem ihre Familie.
Sie flog immer öfter nach Hause. Natürlich versuchte ich, sie, wann immer möglich, zu begleiten, was bei einem beruflich engagierten Menschen wie mir sehr schwierig war.
»Und, wie findest du es?«, fragte ich Katharina.
»Mann, das muss nicht einfach sein. Ich finde, man merkt dir überhaupt keine Eifersucht an. Das ist wirklich professionell, Pia!«
»Wenn man bedenkt, dass sich meine Finger beim Schreiben krampfen und ich am liebsten über der Toilette hängen würde, wenn ich Formulierungen wie > aufregende Frau< zu Papier bringe, dann ist es wirklich professionell. Mann, bin ich froh, wenn das Kapitel fertig ist! Und Celeste ist noch die einfachste. Mit ihr war er am kürzesten zusammen. Mit Modelfreundin Nummer drei war er sogar verlobt.«
»Sag mal, Pia, musst du eigentlich auch bei den Bettgeschichten ins Detail gehen?«
»Na ja. Sagen wir mal so. Sex sells, aber da er ja ein seriöses Image hat, werde ich davon wohl verschont bleiben. Ich denke, Andeutungen wie >Wir verbrachten wunderschöne Nächte< müssen ausreichen.«
Zumindest, wenn es nach mir ginge! Ich hängte mir die Setkarten an den Kühlschrank, um jedes Mal, wenn ich nachts extra aufstand, um Schokolade zu naschen, die vier abschreckenden Grazien zu sehen.
Lilli war genesen und immer noch im Märchenland mit ihrem Kinderarzt.
Herbert auch, denn er verehrte Dr. Sebastian Sommerfeld sehr und wurde nicht müde, ihn telefonisch zu konsultieren, wenn er ein Kratzen im Hals verspürte oder meinte, Temperatur zu haben. Zum Glück war Sebastian eine gutmütige Socke und hörte mit einer Engelsgeduld den ausschweifenden Krankheitsberichten Herberts zu.
Dieser wiederum ließ sich nicht lumpen und führte die beiden Frischverliebten regelmäßig luxuriös aus.
Katharina war und blieb schwanger. Sie lebte etwas zurückgezogener, verzichtete auf Alkohol und gab ihr Laster, das Rauchen, auf. Ansonsten ging es ihr prächtig, was sie auf die Hormone zurückführte, und sie war immer noch nicht von ihrem Russlandfeldzug abzubringen.
Wie wir alle hatte Katharina eine Schwäche für Boulevardmagazine und fuhr regelmäßig zum Kiosk, um sich »Gala«, »Bunte« und was sonst noch aufzutreiben war, zu kaufen.
»Champagner lesen« war einst der Werbefeldzug der Gala gewesen, und wir hatten uns dieses Motto zu Eigen gemacht, trafen uns einmal in der Woche, um bei Prickelwasser und Kanapees fröhlich die neuesten Klatschgeschichten durchzuhecheln.
Unsere Lieblingsrubrik war in der »Bunten« die Modekritik »wunderbar«
und »sonderbar«, und das Pendant in der »Gala«, auch als »Modeknigge« bekannt.
Gestylte Hollywood-Diven im Vergleich zur B-Liga des internationalen und deutschen Showbiz. Unter »wunderbar« waren als Stammgäste Nicole Kidman, Jennifer Aniston, Gwyneth Paltrow und andere amerikanische Größen anzutreffen, bei »sonderbar« erwischte es jede Woche eine neue Dame, was oft daran lag, dass die Kandidatinnen bei »sonderbar« nicht lange genug prominent waren, um es noch ein zweites Mal zur Stilkontrolle zu schaffen.
Da ich mit manchen »Künstlern« bereits beruflich das Vergnügen gehabt hatte, war ich besonders interessiert und informiert, was mir den Spitznamen »Klatschmohnhaupt« einbrachte, der sich im Laufe der Zeit in Klatschmohn wandelte.
Und als ob
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