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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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beeilten sich, aus dem Haus
und in ihre Wagen zu kommen. Zuerst ging Dr. Soames, dann gingen Sams Tante und
Onkel mit Eleanor, Driscolls Schwester mit dem unbekannten Brautführer und schließlich
Driscolls Eltern. Dann sagte Eliza: »Na! Ich hatte schon Angst, ich könnte nie
mehr aufrecht gehen, seit ich in Spences winzigem Sportwagen mitgefahren bin!«
und entschwebte mit Linda und den Zwillingen im Schlepptau. Aber Ramsay und
Carroll blieben noch, hingen ihr sozusagen am Rockzipfel, während sie die
kalten Platten zurück in die Küche trug; Velma und Rosalie blieben
dementsprechend ebenfalls, machten sich jedoch rar und saßen im Arbeitszimmer
vor dem Fernseher. Im Wohnzimmer rückte Sam inzwischen das Mobiliar wieder an
seinen Platz, und Carroll erzählte Delia den gesamten Inhalt des Videofilms,
den er und Ramsay sich am Vorabend ausgeliehen hatten. Dieser Mann, erzählte
er, saß in einer Art Zeitgewebe fest und mußte immer wieder ein und denselben
Tag durchleben. Delia fand, von den Themen, über die sie hätten sprechen
können, war dieses das eigenartigste, sagte aber nur: »Mmhmm. Mmhmm«, huschte
dabei durch die Küche und verpackte diverse Platten in Plastikfolie. Carroll
folgte ihr so dicht auf den Fersen, daß sie nicht ohne Vorwarnung ihre Richtung
ändern konnte, und Ramsay folgte ihnen beiden.
    Doch dann brachte Sam das
Tischtuch, ein ungeschickt aufgetürmtes Knäuel, und die Stimmung schlug abrupt
um. Carroll stockte in seinem Bericht. Ramsay schloß übereifrig alle
Schranktüren. Beide beobachteten Delia, selbst während sie wegsahen.
    »Tischtuch«, sagte Sam. Er
reichte es ihr.
    Delia sagte: »Oh, gut! Danke!«
Dann sagte sie: »Ich bringe es nur eben nach unten...«, machte kehrt und ging
durch die Speisekammer die Kellertreppe abwärts. Eigentlich mußte das Tischtuch
überhaupt nicht gewaschen werden.
    Unten an der Treppe wartete die
Katze, blickte sie aufmerksam an. Vernon verkroch sich immer im Keller, wenn
Gäste kamen. Sie sagte: »Ach, Vernon! Hast du mich vermißt?«, bückte sich und
streichelte seinen runden, weichen Kopf. »Du hast mir auch so gefehlt,
Kleiner«, flüsterte sie. Er schnurrte so übertrieben, wie Katzen schnurren,
wenn sie sich einschmeicheln wollen.
    In der Speisekammer waren
Schritte zu hören, kamen die Treppe herunter. Delia stand auf und ging an die
Waschmaschine. Vernon verzog sich wieder. Die Maschine war voll feuchter
Wäsche, sie stopfte das Tischtuch einfach dazu und schüttete ohne Rücksicht auf
Verluste Waschpulver oben drauf.
    Hinter ihr räusperte sich Sam.
Sie drehte sich um: »Oh! Hallo, Sam«, sagte sie.
    »Hallo.«
    Sie hantierte an der
Waschmaschine, wählte den richtigen Waschgang, daß der Knopf beim Drehen
sirrte. Wasser strömte; Rohre dröhnten über ihrem Kopf. Draußen vor dem verstaubten
Fenster hüpften die Efeublätter unter den Regentropfen.
    »Wenn Driscoll herunterkommt«,
sagte sie und sah Sam an, »rufe ich ein Taxi; ich dachte nur, ich warte bis
dahin, damit ich Susie auf Wiedersehen sagen kann.«
    »Ein Taxi wohin?« fragte Sam.
    »Zum Busbahnhof.«
    »Oh«, sagte Sam. Dann fügte er
hinzu: »Ein Taxi bestellen ist doch Unsinn, wenn hier so viele Wagen sind.
Oder, ich meine nicht Unsinn, aber... ich kann dich fahren. Oder Ramsay, wenn
dir das lieber ist. Ramsay benutzt den Plymouth, weißt du.«
    »Oh, tatsächlich?« fragte
Delia. »Fährt der Wagen noch gut?«
    »Doch, ja.«
    »Kein Ärger mit der Elektrik
mehr?«
    Er sah sie einfach an.
    »Also, danke«, sagte sie. »Ich
glaube, ich fände es schön, wenn ich gefahren werde, wenn es nicht zu
umständlich ist.«
    Auf die Frage, wer sie fahren
sollte, ging sie nicht ein.
    Sie gingen die Treppe wieder
hoch, Delia vor Sam. Sie war sich jeder Bewegung bewußt. Die Küche war jetzt
leer. Der Tisch im Eßzimmer sah ganz nackt aus; Sam hatte nicht daran gedacht,
den mehrarmigen Leuchter zurückzustellen, nachdem er das Tischtuch abgenommen
hatte. Der Flur war auch leer, aber dort blieben sie einen Moment stehen und
horchten auf die Stille über ihnen.
    »Ich glaube nicht, daß er sie
umstimmen kann«, sagte Delia.
    »Das ist nur ein kleiner
Hochzeitskoller.«
    »Ich glaube, sie meint es
wirklich ganz ernst.«
    »Weißt du noch, wie sie war,
als sie klein war?« sagte Sam. »Manchmal hatte sie einen schrecklichen
Dickkopf. Weißt du noch, als sie ihren Cowboy-Schlafanzug in den Kindergarten
anziehen wollte? Du hast es nicht erlaubt, und da ist sie zum Frühstück in
Unterwäsche

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