Kleine Abschiede
nannte. Sie reckte sich auf ihrem Stuhl. »Ich
habe Akten angelegt, das Telefon beantwortet und den Terminkalender geführt,
aber stenografieren kann ich leider nicht.«
»Macht nichts«, sagte Mr.
Pomfret. »Weder Miss Percy noch Miss Dingsda konnten Stenografie. Eine
Sekretärin, die Steno kann, war zwar immer mein Traum, aber es soll wohl nicht
sein.«
Etwas peinlich war, daß, als er
sie nach ihrer Adresse fragte, sie keine Ahnung hatte. Doch als sie Belle Flint
erwähnte, sagte er: »Oh, ja, George Street.« Während er sich eine Notiz machte,
fügte er hinzu: »Belle ist ‘ne echt ulkige Nudel.« Das war der Vorteil einer
Kleinstadt, dachte Delia. Oder der Nachteil, je nachdem.
Er sagte, sie könne morgen mit
der Arbeit anfangen, wochentags von neun bis fünf. Leider war das Gehalt an der
unteren Grenze, sagte er (warf ihr einen prüfenden Blick zu, wie sie
reagierte). Außerdem erwartete er, daß sie Kaffee kochte; er hoffte, auch damit
hätte sie keine Probleme.
Natürlich nicht, antwortete
Delia spitz, stand auf und beendete das Gespräch. Sie fand, Mr. Pomfret war ein
Mann ohne besondere Qualitäten, nicht bösartig, aber nicht besonders
interessant, und was sie betraf, war das in Ordnung. Eigentlich mochte sie ihn
nicht besonders, auch das war in Ordnung. Für das unpersönliche neue Leben, das
sie sich gerade bereitete, war Mr. Pomfret ideal.
Auf ihrer Uhr war es zwanzig
vor fünf, und seit dem Frühstück hatte sie nichts gegessen. Deshalb ging sie
auf dem Rückweg zu ihrem Zimmer in das Café, das Belle empfohlen hatte.
Tatsächlich lag es nicht direkt gegenüber Belles Haus, sondern ein paar Häuser
weiter, neben einem Eisenwarenladen. Aber innen vom Fenster aus sah sie ihre
neue Behausung; also besetzte sie einen Tisch, von dem aus sie die Straße gut
überblicken konnte, und paßte auf, daß Belle nicht nach Hause kam. Vielleicht
hätte sie einen Koffer kaufen sollen, dann könnte sie ungeniert einziehen. Aber
es war dumm, Geld zu verschwenden, nur für den Schein. Ihre fünfhundert Dollar
waren schon zusammengeschmolzen, auf wieviel...? Sie stellte im Kopf eine
Rechnung auf und erschrak. Bei der Kellnerin bestellte sie lediglich
Gemüsesuppe und ein Glas Milch.
Rick-Rack’s glich jenen Cafés,
in denen sie als Schülerin gegessen hatte — eigentlich eine Imbißstube, mit
Linoleumfußboden und gekachelten Wänden, sechs bis acht Tischen in Nischen und
einer Reihe Hocker entlang einer Resopaltheke. Eine kleine rothaarige Person
bediente den gesamten Laden, und ein tiefschwarzer junger Mann mit gigantischen
Muskeln und kahlrasiertem Kopf war der Koch. Er grillte ein Käsesandwich für
den einzigen anderen Kunden, einen Jungen in Ramsays Alter. Der Bratgeruch ließ
Delias Magen knurren, auch während sie schon ihre Suppe löffelte. Sie ermahnte
sich, die Suppe sei vitaminreicher, und lehnte den selbstgebackenen Kuchen zum
Nachtisch ab. Vorn an der Kasse bezahlte sie. Der Koch wischte seine Hände an
der Schürze ab und machte wortlos die Rechnung auf. Nächstesmal brachte sie
sich etwas zu lesen mit, beschloß sie. So richtig wohl hatte sie sich nicht
gefühlt, wie sie ihre Salzcracker kaute und starr aus dem Fenster sah.
Zurück im Haus, von Belle keine
Spur. Delia öffnete die Haustür und spürte die Stille dünn und bloß um sich.
Sie stieg die Treppe hinauf, dachte, Die Chefsekretärin kehrt von ihrem
einsamen Mahl heim in die Einsamkeit ihres Zimmers. Es war aber keine
Klage. Es war Stolz. Ein Triumph.
Als sie ihre Zimmertür öffnete,
schien der Hornissengeruch stärker, vielleicht weil die Nachmittagshitze durchs
Dach gedrungen war. Sie stellte ihre Habe auf die Kommode und schob beide Fenster
hoch. Das hintere Fenster ging auf den winzigen Hinterhof. Vom Vorderfenster
sah sie aufs Verandaüberdach und die Gebäude auf der anderen Straßenseite.
Delia lehnte mit der Stirn gegen die Scheibe und entdeckte das Café (B. J.
»Rick« Rackley, Inh.) und das Eisenwarengeschäft und ein Haus mit braunen
Holzschindeln und dem Gitter eines Kinderbetts oder Laufstalls im oberen
Fenster. Die wenigen Geräusche hatten etwas Tröstliches — Autos, die
gelegentlich vorbeirauschten, und Schritte auf dem Gehweg.
Belle hatte auf der Kommode
einen altmodischen, langen Schlüssel hinterlassen, mit dem Delia ihre Zimmertür
abschloß. Dann entfernte sie die Preisschilder von ihrer neuen Handtasche,
legte ihre Brieftasche hinein und hängte die Tasche an einen Haken im Wandschrank.
Ihre anderen
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