Kleine Luegen erhalten die Liebe
seinem Schoß, und sie hielten Händchen, alle fünf Finger fest ineinander verschränkt. Einmal sah Mia, dass sie sich sogar küssten, und wandte schnell den Blick ab. Sie konnten in einer ganzen Stunde nicht mehr als ein paar Worte ausgetauscht haben, aber sie schienen sich überhaupt nicht unbehaglich miteinander zu fühlen. Vielleicht war es ja gerade das, was ein zufriedenes Liebespaar ausmachte? Möglicherweise war einvernehmliches Schweigen ja etwas, was ein Paar nur in höheren Sphären des Liebesglücks erreichen konnte?Machen wir uns doch nichts vor, dachte Mia. Obwohl sie und Eduardo nicht viel miteinander redeten, waren sie wohl kaum der Inbegriff der Zufriedenheit, so giftig, wie sie ihn von der anderen Seite des Gartens her ansah.
»Sie ist reizend, nicht?« Plötzlich stand Anna neben ihr und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich finde, Karen und Fraser passen wunderbar zusammen, nicht?«
Mia zuckte zusammen. »Ja, auf jeden Fall. Total gut. Sie scheinen sich jedenfalls bestens zu verstehen. Es war bestimmt nicht leicht für ihn, sie heute mitzubringen, Livs und unseretwegen …«
»Tja, aber das Leben geht eben weiter, nicht?«, versetzte Anna knapp.
Mia lächelte und senkte den Blick. Flüchtig dachte sie daran, mit der Sprache herauszurücken und Anna einzugestehen, dass sie sich wegen ihrer nachlassenden Verbundenheit und Annas distanzierter Haltung Sorgen machte und außerdem das Gefühl hatte, als wäre Anna nicht mehr ganz sie selbst. Sie öffnete den Mund, um ihren Gefühlen Luft zu machen, doch der richtige Moment war schon verflogen.
»Steve scheint ein netter Mann zu sein«, bemerkte sie stattdessen, obwohl sie bisher kaum zwei Worte mit Buddhist-Steve gewechselt hatte.
»Oh ja, er ist wunderbar. Er hat mein Leben total verändert.«
Mia blinzelte erstaunt. »Wow, das ist ja kaum zu glauben, Spanner«, sagte sie mit erstickter Stimme.
»Ich weiß. Aber – und versteh mich bitte nicht falsch – er nennt mich nicht so, und ich wäre froh, wenn ihr es auch nicht tätet. Ist das okay für euch?«
Falls Mia bestürzt war, bemühte sie sich nach Kräften, sich nichts anmerken zu lassen.
»Klar. Kein Problem. Von jetzt an bist du nur noch Anna.«
»Danke. Und noch was …« Anna warf gekonnt ihr langes rotes Haar zurück und berührte Mias Schulter, als wollte sie ihr ein Geheimnis anvertrauen. »Weißt du, ich finde es großartig, dass Eduardo und du wieder zusammen seid. Wirklich großartig.«
Mia krauste die Nase. »Ehrlich? Du sagst das nicht nur so?«
»Nein. Ich meine, Menschen verändern sich, nicht wahr? Ich habe heute mit ihm gesprochen, und er ist wirklich erwachsener geworden. Und auch für dich und Billy ist es super, nicht?« Sie zauste Billy das Haar, doch so schnell, als wäre der Kleine etwas leicht Entzündliches. »Ihr könnt jetzt eine richtige Familie sein und zusammen euer Leben weiterführen. Am Ende wird immer alles gut.«
Und dann küsste sie Mia auf die Wange, bevor die etwas entgegnen konnte, schlenderte in ihrem superkurzen Sommerkleid davon und ließ Mia dort mit Billy und dem Gefühl zurück: Was war denn das? Mia war sich nicht sicher, aber mindestens ein, zwei Minuten lang konnte sie sich nicht rühren.
Dann holte sie tief Luft. Im Grunde genommen hatte Anna recht: Karen war reizend. Mia bereute es schon, sie heruntergemacht zu haben: »Ist das dein Ernst, Fraser? Eine zweiundvierzigjährige Frau, die für Delfine schwärmt?« Er musste sie, Mia, wirklich für eine blöde Kuh gehalten haben!
Sie musste sich ein bisschen Mühe geben. Deshalb stand sie mit Billy auf und wollte gerade zu Karen gehen und ein wenig mit ihr plaudern, als die auch schon mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht und wippenden Brüsten über den Rasen zu ihr herüberkam. (Bei Gott, allein schon diese Brüste konnten jeden Mann verstummen lassen!)
»Hi. Ich dachte, ich komme mal rüber und sehe, wie alles läuft.« Karen blieb neben ihr stehen und streichelte Billys Wange. »Wie süß er ist, der Kleine!«
»Danke. Er hat auch seine guten Momente, schätze ich – wenn er nicht gerade im Planschbecken sein Häufchen macht.«
Das wurde mit der gleichen unbewegten Miene wie schon vorher aufgenommen, und Mia beschloss, nie wieder das Thema Häufchen aufs Tapet zu bringen – es war offensichtlich nichts, womit sich Karen gern befasste. Einigen Leuten waren diese Dinge schlicht zuwider.
»Ich hätte wahnsinnig gern Kinder gehabt«, sagte Karen jedoch plötzlich.
Mia lächelte
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