Kleine Suenden zum Dessert
eingebildet. Was für eine Beruhigung - nun ja, gewissermaßen, zumindest. Er hatte sie wirklich geküsst. Er hatte ihr wirklich gesagt, sie sei erstaunlich. Es war kein anstößiger Tagtraum, den sie sich aus den Zutaten: Risotto, Peggy Sue und Pensionsgast zusammengerührt hatte.
»Wieso bist du so gut gelaunt?«, wollte Natalie wissen, als sie Grace ein paar Minuten später auf dem Handy anrief.
»Weil ich fürsorglich und lustig und liebenswürdig bin«, antwortete Grace vergnügt. Adam hatte es gesagt: Sie erinnerte sich an jedes Wort.
»Du hast es also auch!«, rief Natalie.
»Was?«
»Das Buch.«
»Welches Buch?«
»Lernen Sie Ihr wahres Ich lieben. Lisa hat im Büro in den höchsten Tönen davon geschwärmt.« Lisa war ein Selbsthilfejunkie.
»Nein. Ein Mann hat das zu mir gesagt«, konnte Grace nicht widerstehen zu prahlen.
Natalie schnappte hörbar nach Luft. »Ein echter Mann?«
»Ein ausgesprochen echter«, bestätigte Grace. Sie sah im Geist Adams nackten Oberkörper vor sich. Bestimmt fühlte seine Haut sich so weich an wie ein Babypopo.
»Wer, um Himmels willen?«, keuchte Natalie. »Doch nicht etwa Adam?«
Grace stieß ein so gekonnt ungläubiges kleines Lachen aus, dass sie sich beinahe selbst überzeugte. »Wohl kaum.«
»Wer dann?«
»Jemand.« Sie hatte nicht bedacht, wie hartnäckig Natalie sein konnte, und begann zu bereuen, nicht den Mund gehalten zu haben.
»Was hat er noch gesagt?«, fragte Natalie aufgeregt.
»Dass ich schön sei.«
Ein Glucksen kam durch den Äther. »Schön!«, echote Natalie und fuhr hastig fort: »Ich meine, natürlich bist du attraktiv , und du hast deine Figur nach den Zwillingen wieder sehr gut hingekriegt...«
»Aber ich bin nicht schön?« Natalie bemühte sich verzweifelt um Freundlichkeit.
»Doch! Du siehst toll aus! Ich meinte ja nur, dass es ziemlich schwülstig klingt, so was zu sagen.«
»Ja - und ich find‘s herrlich«, erwiderte Grace fröhlich. Sie war nicht bereit, sich die Freude verderben zu lassen. Wobei die Behauptung, sie sei schön, ihr nicht das Wichtigste war (sie wusste, dass sie nicht schön war, aber das waren die meisten Menschen nicht). Nein, das kostbarste Kompliment, das sie sich dann auch immer und immer wieder im Stillen vorsagte, war Adams Bemerkung, dass sie anders sei als alle Frauen, die er kannte.
Er hielt sie für ungewöhnlich. Für etwas Besonderes. Sogar für einmalig. Und sie hatte dafür nicht einmal mit ihrem Gewehr-Abenteuer prahlen oder schlechte Witze zum Besten geben müssen, die sie im Radio gehört hatte. Er hatte sich nicht von der Grace Tynan zum Narren halten lassen, wie sie sich der Öffentlichkeit präsentierte. Er hatte etwas in ihr gesehen, was schon lange niemand mehr in ihr gesehen hatte - nicht einmal sie selbst. Und ihm gefiel, was er sah zumindest gut genug, um den Versuch zu machen, sie da draußen auf dem Rasen zu verführen. Jetzt lag er oben in seinem Bett.
›»Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, eine Dummheit zu machen«, platzte sie heraus.
»Eine wie dumme Dummheit?«, hakte Natalie fasziniert ein.
»Ich weiß nicht.« Wenn er heute früh in ihr Zimmer gekommen wäre, würde sie dieses Gespräch jetzt vielleicht gar nicht führen. Vielleicht wäre die Dummheit noch in vollem Gange.
Natalie ließ nicht locker. »Auf einer Skala von eins bis zehn?«
»Eine Neun.«
»Eine Neun!« Natalie klang schockiert. »Ich habe es nur bis zu einer Sieben gebracht. Als ich damals auf der Party mein Top auszog, weißt du noch?«
»Das war eine Sieben? Dann ist meine eine Zwölf«, korrigierte sich Grace.
»Hol mich der Teufel«, flüsterte Natalie heiser.
»Ich weiß. Was tue ich jetzt nur?«
»Wie soll ich dir das beantworten? Dazu müsstest du mir verraten, was für eine Dummheit es ist.«
»Das kann ich nicht, Natalie.«
Nach einem gedankenschweren Schweigen sagte Natalie in todernstem Ton: »Wenn diese Dummheit mit dem Mann zusammenhängt, der dir erzählt hat, du seist schön, dann kann ich dir nur nachdrücklich davon abraten, Grace.«
»Das dachte ich mir schon.« Es war ohnehin eine Diskussion um Kaisers Bart. Schließlich hatte Adam nicht ihr Zimmer gestürmt und versucht, mit ihr Liebe zu machen. Nicht, dass Liebe etwas damit zu tun gehabt hätte. Eher mit Sex. Und der wäre ohne Gefühl und billig gewesen (zumindest moralisch gesehen. In jeder anderen Hinsicht hätte sie ihn unendlich aufregend gefunden). Nein, es war gut, dass die Sache rechtzeitig geendet hatte. So
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