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Kleiner König Kalle Wirsch

Kleiner König Kalle Wirsch

Titel: Kleiner König Kalle Wirsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilde Michels
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legten ihnen Eisenringe an die
Füße, die durch Ketten an schweren Felsblöcken befestigt waren.
    An ein Entkommen war nicht zu denken.
Max starrte fassungslos auf seine gefesselten Füße, und Jenny weinte leise vor
sich hin. Nur Kalle Wirsch schien sich nicht aufzuregen. Er wartete, bis die
Soldaten abgezogen waren und den Raum zwischen ihm und dem Wächter am Tor
freigegeben hatten. Dann rief er laut und trotz seiner mißlichen Lage sehr
gebieterisch: »Das Gesetz fordert, daß du mich anhörst, Wächter.«
    Der Wächter, der wieder eine erstarrte
Haltung angenommen hatte, blickte nach dem angeketteten Kalle wie nach einer
lästigen Fliege. Kein Zug in seinem versteinerten Gesicht verriet, ob er
gewillt war, das Gespräch fortzusetzen.
    Kalle Wirsch gab jedoch nicht auf. »Du
mußt mich anhören, Wächter. — Es gibt drei Fragen, die nur die Eingeweihten
wissen. Du kennst das Gesetz: Wenn ich sie dir beantworte, mußt du uns das Tor
öffnen.«
    Widerwillig, aber wie unter einem
Zwang entgegnete der Wächter: »Es ist meine Pflicht, jedem das Tor zu öffnen,
der die Lösung der Fragen kennt.«
    »So frage«, verlangte Kalle.
    »Es ist meine Pflicht«, wiederholte
der Wächter. »Weißt du die Antwort, soll dir geöffnet werden, weißt du sie
nicht, wird dich dieses Schwert treffen.«
    »Ich bin bereit.«
    Der Wächter kam mit schweren Schritten
näher, senkte sein Schwert über den Kopf des kleinen Wirschenkönigs und sprach:
    »Was ist das?
     
    Es
ist im Wein,
    es
ist im Blut,
    es
ist im Stein
    und
in der Glut.«
     
    Ohne sich zu besinnen, antwortete
Kalle Wirsch: »Es ist das Rote, so rot wie Rubinstein.«
    Der Wächter hob sein Schwert zum
Zeichen, daß die Lösung richtig war, senkte es dann aber wieder über Kalle
Wirsch und stellte die zweite Frage:
    »Was ist das?«
     
    Du
kannst es nicht brechen
    du
kannst es nicht reißen
    und
nicht zertreten
    und
nicht zerbeißen.«
     
    Auch diesmal kam Kalles Antwort ohne
Zögern: »Der Rubin, der harte Rubinstein, den niemand aus eigener Kraft
zertrümmern kann.«
    Wieder hob und senkte der Wächter das
Schwert. Max und Jenny begannen aufzuatmen. Hoffnungsvoll warteten sie auf die
letzte Frage.
    »Was ist das?« hob der Wächter zum
dritten Mal an:
     
    »Es
wächst im dunklen Felsenloch,
    es
hat kein Licht und leuchtet doch.«
     
    »Der Rubin, der herrlich-strahlende
Rubin«, rief Kalle Wirsch.
    In den Augen des Wächters blitzte es
auf wie ein plötzliches Erkennen.
    »Dreimal Rubin ist das Losungswort«,
sagte er. »Löst ihnen die Fesseln!«
    Und während die Soldaten den Befehl
ausführten, schlug er dreimal mit dem Schwert gegen das Felsentor, das sich
weit öffnete.
    »Kommt! Schnell hindurch, bevor es
zuschlägt!« rief Kalle Wirsch den Geschwistern zu.
    Max und Jenny rieben sich die Knöchel,
an denen die Eisen gesessen hatten, und warfen noch einen scheuen Blick auf den
Wächter, der wieder in den Schatten der Felswand getreten war. Wie bei ihrer
Ankunft stand er dort, steingrau, unbeweglich und stumm.
    »Los, kommt!« drängte Kalle.
    Da beeilten sie sich, ihm zu folgen,
und kaum hatten sie den Eingang zum Rubinberg durchschritten, als das Tor
schwer hinter ihnen zufiel.
     
     
     
    10. Kapitel

Echokugeln
und Irrwege
     
    Ein Leuchten umgab sie, das von allen
Wänden strahlte, ein tiefroter, warmer Glanz. Sie befanden sich in einer Halle,
die ganz aus Rubinen bestand. Aus den Wänden und dem Deckengewölbe ragten unregelmäßig
kleine und große Zacken des Edelsteins, nur der Boden war glattgeschliffen. Der
weite Raum lag in vollkommener Stille.
    »Schön, was?« sagte Kalle zu den
Geschwistern, die starr vor Bewunderung stehengeblieben waren.
    »So schön, wie man es gar nicht
träumen kann«, meinte Jenny.
    Kalle Wirsch ließ seinen beiden
Begleitern ein wenig Zeit zum Staunen, dann drängte er sie weiter.
    »Darf man denn über diesen kostbaren
Stein laufen?« fragte Max.
    »Du hast doch gehört, er ist so hart,
daß du ihm nichts anhaben kannst. Ihr dürft ruhig fest auf treten.«
    Kalle war schon wieder in Bewegung.
Max konnte sich aber nur zögernd zum Weitergehen entschließen. Er betastete die
Wände, fühlte die spitzen Zacken und betrachtete seine Finger, die purpurrot
gefärbt waren vom Widerschein des Gesteins.
    »Treibst du wieder Erdkunde?« rief
Kalle Wirsch, der mit Jenny vorausgegangen war. »Komm, es gibt noch genug zu
erforschen. Bleib jetzt dicht hinter uns. Der Rubinberg ist groß.«
    »Ich komme ja schon«, antwortete Max
und

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