Kleiner Kummer Großer Kummer
beide, Musgrove und ich, zugeben, daß selbst unsere wasserdichten Hüte, Jacken, Hosen und lustig gestreiften Regenschirme für diese Art von Wolkenbruch nicht angebracht waren. Traurig begruben wir die Hoffnung auf die Erfolge, die wir heute sicher gehabt hätten, und entschlossen uns, mit einem früheren Zug heimzufahren. Ich wollte Sylvia überraschen und teilte ihr deshalb die Änderung meiner Ankunft nicht mit. Nachdem ich Iris aufgefordert hatte, sich fertigzumachen, zahlte ich meine Hotelrechnung.
In London verabschiedete ich mich von Musgrove. Wir versicherten uns, daß wir wundervolle zwei Wochen verlebt hätten. Wir hatten von den Vorlesungen, die äußerst interessant waren, profitiert und ausgezeichnet Golf gespielt. Mit der festen Versicherung, daß wir in Verbindung bleiben würden, tauschten wir unsere Telefonnummern aus. Musgrove verschwand mit seinen Golfschlägern und seiner »Unterwäsche und Miederwaren GmbH«-Tasche. Seine
Brille thronte wie immer auf seiner Nasenspitze. Iris trug meine Tragetasche, die sie noch im letzten Augenblick auf dem Kleiderschrank entdeckt hatte. Wir holten unser Gepäck und stiegen in ein Taxi.
Es war halb sechs Uhr, als unser Taxi vor meinem Haus vorfuhr und hinter einem weißen Jaguar hielt. Mein erster Gedanke war, daß Dr. Cataract einen reichen Patienten geangelt hätte. Mein zweiter Gedanke war Wilfred Pankrest. An diesen Wagen erinnerte ich mich noch gut aus der Zeit, als Sylvia mit Wilfred verlobt war und sie mich darin besucht hatten. Nachdem ich aus dem Taxi ausgestiegen war, wurde meine Vermutung bestätigt. Mit der typischen Pankrestschen Vorliebe für Angebereien trug sein Wagen das Nummernschild WP I. Ich fühlte, wie langsam der Schuljungenwunsch, die Luft aus den Reifen zu lassen, von mir Besitz ergriff, erinnerte mich aber an mein Mannesalter und die Wirklichkeit und überlegte, was, zum Teufel, er wohl in meinem Hause suchte, während ich nicht da war. Meine fröhliche Laune, die während der Heimfahrt bei dem Gedanken, nach Hause zu kommen und Sylvia wiederzusehen, immer besser geworden war, verschwand. Ich war ärgerlich. Ich hatte den Anblick von Wilfreds übervornehmem, kinnlosem, champagnerfarbenem Gesicht nie ausstehen können, und Sylvia wußte das. »Kommen Sie, Iris«, knurrte ich und nahm die zwei schwersten Koffer auf.
Als wir durch den Vorgarten gingen, öffnete sich die Tür, und Wilfred trat heraus, während er seinen weichen, grünen Hut auf seinen aristokratischen Kopf schwang. Sylvia folgte ihm, um ihn hinauszubegleiten. Es gab einen Augenblick vollkommener Stille und Unbeweglichkeit, während Iris und ich auf Sylvia und Wilfred starrten. Dann löste sich das lebende Bild auf. »Süßer«, rief Sylvia aus.
Wilfred entfuhr ein »Großer Gott!«
Ich sagte grimmig: »Wir haben einen früheren Zug genommen«, und Iris, die mit offenem Mund Wilfred anstarrte, flüsterte: »Oh, ich habe Ihr Bild im Mirror gesehen!« Und in ihrer Aufregung, Englands Playboy Nummer eins von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, faßte sie die »Unterwäsche und Miederwaren GmbH«-Tragetasche am falschen Ende. Das schwarze Nylon-Nachtgewand, das jetzt noch durchsichtiger aussah als im Geschäft, wehte knisternd heraus und legte sich über Wilfreds elegante, spitze braune Wildlederschuhe. Wieder standen wir alle erstarrt - Iris vor Schreck, Sylvia voller Argwohn, Wilfred sichtlich amüsiert, und ich voller Zorn auf Wilfred, der meine Heimkehr vermasselt hatte. Irgend jemand mußte jetzt etwas tun. Ich hob das Nachthemd auf, schüttelte Wilfreds fischkalte Hand und erklärte, daß ich erfreut sei, ihn zu sehen, stieß Iris und die Koffer über die Schwelle und schloß die Tür fest zu. Molly eilte aus dem Wartezimmer herbei.
»Gott sei Dank, daß Sie zurück sind!« rief sie dramatisch aus.
»Warum? Was ist denn geschehen?«
Molly flatterte mit ihren nicht zu übersehenden Wimpern. »Da ist so eine arme Seele, die ein Baby kriegt, das aber nicht kommen will. Die Hebamme hat den Ehemann schon zweimal hergeschickt.«
»Wo ist Dr. Cataract?«
»Er ist mit einem Taxi zur Breitenstraße gefahren, da hat jemand einen Insulinschock bekommen.«
»Wenn der Mann das nächste Mal kommt, soll er der Hebamme sagen, ich sei nicht da. Er soll einen anderen Arzt holen oder sie ins Krankenhaus schicken.«
»Aber ich hab’ den armen Mann doch ins Wartezimmer gesetzt, und er weiß, daß Sie da sind. Er hat Sie vom Fenster aus gesehen.« Sie senkte ihre
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