Kleiner Kummer Großer Kummer
Augenlider und sagte in bühnenreifem Klageton: »Was für Komplikationen!«
Müde und ärgerlich ging ich auf das Wartezimmer zu. Sylvia rannte hinter mir her. »Laß mich jetzt zufrieden«, fuhr ich sie an.
»Ich will ja gar nichts von dir«, entgegnete sie und nahm mir das Nachtgewand ab, das noch immer über meinem Arm hing.
Mrs. Taylor nahm sich Zeit, bis sie ein schreiendes, neun Pfund schweres Kind zur Welt brachte. Nachdem die Hebamme und ich sie genäht, gewaschen und mit einer Tasse Tee im Bett sitzend verließen, war es nach neun. Ich fühlte mich matt, schmutzig und reizbar und wurde nur zum Teil dadurch besänftigt, daß Mrs. Taylor das Baby nach mir genannt hatte.
Zu Hause wartete Dr. Cataract auf mich, bereit, mir die Praxis zurückzugeben. Nachdem ich noch eine kalte, wabbelige Angelegenheit mit Zitronengeschmack, die mein Dessert vorstellen sollte, vertilgt hatte, rechnete ich mit Dr. Cataract ab, und er zog seinen Dufflecoat an, um sich nach Hause in sein Bett zu begeben.
In der Halle senkte er seine Stimme verschwörerisch und steckte seine Hand in eine seiner Taschen.
»Da ist noch etwas, Doktor«, begann er und hielt mir einen geöffneten blauen Umschlag hin. »Sie sagten mir, daß ich all Ihre Briefe öffnen solle, aber ich glaube, dieser hier war persönlich.« Er warf mir unter seinen buschigen grauen Augenbrauen einen forschenden Blick zu. »Ich wollte ihn nicht Ihrer Frau geben.«
Ich zog das einzelne Blatt blaues Papier aus dem Umschlag. Die Schrift wirkte ungebildet, sie war nach rückwärts geneigt. »Mein liebes Braunauge«, las ich. »Ich mache mir Sorge, weil ich Dich nicht mehr sehe...«
Ich lächelte Dr. Cataract an. »Das ist in Ordnung«, erklärte ich. »Es ist nur ein psychopathisches Mädchen, das sich einbildet, in mich verliebt zu sein.«
Seine Augenbrauen flogen hoch und wischten die Falten von seiner Stirn fort.
»Da bin ich froh, Junge. Sehr froh. Sie haben so eine bezaubernde Frau. Wirklich bezaubernd.« Er streckte seine Hand aus, und nachdem ich Renée Trotters Brief in meine Tasche gestopft hatte, dankte ich ihm für alles, was er getan hatte.
»Es ist mir ein Vergnügen gewesen, Doktor«, sagte der alte Mann, »und ich glaube, daß Sie alles in bester Ordnung vorfinden werden.«
Müde und abgespannt wie ich war, beschloß ich schlafen zu gehen.
Ich fand Sylvia im Bett sitzend in dem Nachthemd, das sie vor einiger Zeit, in unserer Hochzeitsnacht, getragen hatte. Sie sah sehr süß aus, und ich vergaß fast, wie ärgerlich und müde ich war.
»Süßer«, sagte sie, und streckte mir ihre Arme entgegen. »Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, dich zu küssen.« Ich ging nicht bis zum Bett und begann langsam, das Kleingeld aus meiner Tasche zu nehmen und auf den Kaminsims zu legen. Dann ging ich genau auf den Hauptpunkt los.
»Was wollte Wilfred hier?« fuhr ich sie an.
Sylvia, mit den Armen noch in der Luft, zog einen Schmollmund.
»Er kam zum Tee.«
»Wie kommst du dazu, diesen elenden, geschmacklosen Nachtklubhocker hier zum Tee zu empfangen, wenn du mich jede Minute erwartest. Ich konnte genausogut einen Zug früher nehmen, wie ich sonst vielleicht gar nicht erfahren hätte, was hier vor sich geht.«
»Mach dich nicht lächerlich«, sagte Sylvia, »du weißt ganz genau, daß hier gar nichts vor sich gegangen ist.« Sie senkte ihre Stimme. »Sei nicht verrückt, Liebster. Komm her und sag mir guten Tag.«
Wenn ich nicht diese lange, ermüdende Reise hinter mir gehabt hätte, gefolgt von der Anstrengung zugunsten des kleinen Taylor und von dem langen Gespräch mit Dr. Cataract, hätte ich es vielleicht dabei belassen. Ich war restlos fertig und konnte meine Augen kaum mehr offenhalten.
»Ich wünsche dieses Treiben in meinem Haus nicht!« schrie ich. »Wenn ich nicht einmal für zwei Wochen fortgehen kann, ohne zu wissen, daß ich meiner eigenen Frau trauen kann...«
»Sei nicht so abscheulich«, fuhr Sylvia dazwischen, schwang ihre Beine aus dem Bett und kam auf mich zu. »Es besteht absolut kein Grund für solche Beleidigungen. Ich bin nun einmal deine Ehefrau und nicht ein Mitglied deines Harems, und wenn ich nicht einmal einen Freund zum Tee einladen kann, ohne dich erst um Erlaubnis zu fragen...«
»Es ist ein Jammer, daß du Wilfred nicht geheiratet hast«, unterbrach ich sie scharf, da mich ein kleiner Teufel in meinem Innern antrieb, »da du anscheinend so vernarrt in ihn bist.«
Sylvia folgte mir ins Badezimmer, wo ich den Stöpsel
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