Kleiner Kummer Großer Kummer
wo sie irgend etwas über einem Topf mit kochendem Wasser rührte.
»Was ist los?« fragte sie. »Ich kann hier nicht aufhören, oder meine Soße gerinnt.«
»Mach nur weiter. Ich kann einen meiner Besuche nicht entziffern.« Damit hielt ich ihr den Zettel unter die Nase und zeigte auf die letzte Reihe.
»Oh!« lachte sie. »Drei Flaschen Chateau Neuf du Pape! Der Wein für heute abend. Wirst du bestimmt daran denken?«
»Ich werde mir Mühe geben, obwohl ich schrecklich beschäftigt bin.«
»Hast du Mrs. Wardells Rezept ausgestellt?«
»Ja.«
»Und das Penicillin für die Gemeindeschwester?«
»Ja.«
»Und hast du an den Krankenwagen für Mr. Glynn gedacht? Er muß um drei Uhr in der orthopädischen Klinik sein.«
»Das habe ich vergessen. Ich erledige es sofort«, damit drückte ich einen Kuß auf ihren Nacken. »Ich weiß nicht, wie ich ohne dich fertig werden sollte.«
»Sie wird dick!« rief sie erfreut aus, indem sie eine gelbe Masse von ihrem Holzlöffel heruntertropfen ließ, und ich mußte feststellen, daß ihre Gedanken heute nicht restlos bei der Praxis waren.
Fast hätte Sylvia nicht zu ihrer eigenen Party kommen können. Um sieben Uhr, nachdem sie den ganzen Tag fest gearbeitet hatte, war sie mit ihren Vorbereitungen fertig. Der Tisch war gedeckt, wobei all unsere Hochzeitsgeschenke zu Ehren kamen, das Haus war aufgeräumt und das Essen fertig zum Servieren. Ich war im Badezimmer, um auf Sylvias Wunsch doch noch einmal »über mein Gesicht zu fahren«, als die Türglocke schellte.
»Ich gehe«, rief mir Sylvia zu. »Iris zieht sich gerade um. Für unsere Gäste ist es auch noch zu früh.«
Ich hörte das öffnen der Tür und einen Wortwechsel. Dann schien es ein langes Schweigen zu geben. Gerade als ich an das Treppengeländer trat, um zu sehen, was los war, rief eine Frauenstimme: »He! Ist jemand da?«
Ich beugte mich über das Geländer. »Ja?«
»Oh! Sie sind es, Doktor. Kommen Sie herunter. Ich glaube, Ihrer Frau ist es schlecht geworden.«
Sylvia saß, den Kopf in den Händen verborgen, auf der untersten Treppenstufe.
Auf der Türschwelle stand, mit irgend etwas in den Händen, Mrs. Bradshaw, eine meiner Patientinnen.
»Was ist geschehen?« fragte ich verständnislos.
»Es tut mir so leid, ich muß sie erschreckt haben. Es handelt sich um meine Tochter, die was erwartete und heute morgen eine Fehlgeburt hatte. Sie sagten mir doch, daß ich es aufheben sollte, wenn irgend etwas abginge, und ich wollte Ihnen den Weg ersparen.« Sie hob das Marmeladenglas hoch, das sie so sorgfältig getragen hatte. Darin schwamm, in einer Menge Blut, ein drei Monate alter Fötus!
Ich verabschiedete schnell Mrs. Bradshaw, die es so gut gemeint hatte, und setzte mich auf die Treppenstufe neben Sylvia.
»Komm, Herzchen«, bat ich, »du bist doch eine Arztfrau.«
»Tut mir leid«, erwiderte sie. »Es hat mir nur im Augenblick einen Schock versetzt. Ich öffnete die Tür, und sie streckte mir gleich das furchtbare Ding unter die Nase. Ich konnte nichts dazu, daß es mir hochkam.«
Ich half ihr die Treppe hinauf und bat sie, sich ein wenig hinzulegen, bis sie sich besser fühlen würde. Ich versprach ihr, sie zu holen, wenn der erste Gast käme. Im Wohnzimmer probierte Faraday die Drinks aus und wärmte sich den Rücken vor dem elektrischen Ofen.
»Ich habe dich nicht klingeln hören«, bemerkte ich erstaunt.
»Habe ich auch nicht. Ich bin hinten herum gekommen, weil ich annahm, daß Sylvia in der Küche sein würde, aber alles, was ich antraf, war ein Bündel Temperament mit roten Haaren. Sie gab mir das hier, weil ich noch keinen Tee gehabt hatte.« Er hielt mir die Mandelschnitte entgegen, die er aß.
Ich erklärte ihm, was mit Sylvia geschehen war.
»Braucht sie einen Arzt?« fragte Faraday, indem er sich erneut ein Glas füllte. »Einen wirklichen Arzt?«
»Nein. Und wenn du jetzt nicht die Whiskyflasche hinstellst, bist du blau, bevor die anderen Gäste kommen. Ich hoffe, du hast nicht vergessen, daß diese Dinner-Party ausschließlich zu deinen Gunsten veranstaltet wurde.«
»Mein lieber Junge«, Faraday leerte sein Glas und leckte genießerisch seine Lippen, »natürlich vergesse ich das nicht. Deshalb muß ich mir ja auch moralische Unterstützung verschaffen.« Er wanderte im Zimmer herum, ließ sich dann theatralisch auf einer Stuhllehne nieder und blickte auf die Tür.
»Wie sehe ich aus?« fragte er. »Appetitanregend?«
»Vielleicht denkt Tessa so«, antwortete ich.
»Ich
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