Kleines Herz in Not
hätte Quint den Wagen in den Graben gefahren. Fluchend steuerte er wieder auf die rechte Seite der Straße. „Was für eine Frage ist denn das?" Er warf ihr einen wütenden Blick zu.
„Beau war genauso. Er hatte in jeder Rodeostadt eine andere Frau. Weißt du eigentlich, wo er Fern Kelly getroffen hat? In Greeley. Ist das nicht genial? Ich bin nach einer Stadt benannt, in der Beau seine Frau zum weiß der Teufel wievielten Mal betrogen hat."
Ihr ausdrucksloser Tonfall ließ Quint schaudern. Es hörte sich an, als würde sie die Zutaten für ein Rezept aufzählen.
„Zwei egoistische Menschen haben miteinander geschlafen und sich nicht um die Konsequenzen gekümmert. Ihnen ging es nur um Sex. Ich bin kein Kind der Liebe, sondern der Lust."
„Du hast deine Stiefmutter, die dich über alles liebt."
„Stiefmutter, Halbschwestern, Halbbruder. Hast du eigentlich eine Ahnung, was es bedeutet, immer nur halb zu sein? Von allen bemitleidet zu werden? Was ist mit dir? Verspürst du auch Mitleid mit mir?"
„Nein", entgegnete er, doch es war gelogen, und sie beide wussten es.
„Ich war schon immer das böse Kind." Greeley schloss die Augen wieder. „Beau hat mir immer damit gedroht, dass Mary mich eines Tages vor die Tür setzen würde, wenn ich mich nicht zusammenreiße."
„Ich kenne deine Stiefmutter zwar noch nicht lange, aber eins weiß ich: So etwas hätte sie nie getan."
„Das stimmt. Mom denkt zuallererst an die Familie. Sie ist der selbstloseste Mensch, den ich kenne - im Gegensatz zu meiner richtigen Mutter. Als ich klein war, habe ich überlegt, wie sie wohl aussehen würde. Ich konnte mich nicht zwischen Prinzessin und Märchenfee entscheiden. Eins wusste ich allerdings genau: Sie war wunderschön. In der Schule habe ich dann den anderen erzählt, dass sie fortgehen musste, und ich hatte auch tausend Gründe dafür parat. Zum Beispiel ein Gedächtnisverlust oder eine Missionarstätigkeit irgendwo tief im Dschungel. Natürlich hat mir keiner geglaubt."
Quint fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Sie war tiefer verletzt, als er angenommen hatte.
Das Treffen mit Fern Kelly hatte ihre Illusionen zerstört und ihr die hässliche Wahrheit vor Augen geführt. „Deine Mutter hat nur ihren eigenen Vorteil im Sinn. Ein Baby war da nur im Weg. Sie hatte einfach keine Lust, sich um dich zu kümmern."
„Und ich habe ihre Gene geerbt. Was für ein Glück!"
Die Verbitterung in ihrer Stimme war deutlich herauszuhören. „Du bist bei den Lassiters aufgewachsen. Allein das zählt. Die Erziehung ist wichtig, nicht die Gene."
Greeley schüttelte den Kopf. „Ich lebe auf einer Ranch, hast du das vergessen? Deshalb weiß ich auch genau, was bei der Aufzucht wichtig ist. Nur die Blutlinie zählt, nicht der Ort, an dem die Pferde oder Rinder aufgezogen wurden. Meine Eltern sind nun einmal Fern Kelly und Beau Lassiter. Mein Vater konnte alle Frauen mit einem Lächeln betören und alles reiten, was vier Beine hatte. Was hat meine Mutter für Qualitäten? Du kennst sie besser als ich."
Quint dachte angestrengt nach, aber ihm fiel nicht eine einzige ein.
Greeley lachte höhnisch. „Das war doch klar. Lass mich dir helfen. Fern ist egoistisch, verantwortungslos und gleichgültig. Und eine Diebin. Sie hat mit einem verheirateten Mann geschlafen. Für mich ist das Diebstahl. So tief bin ich allerdings noch nicht gesunken. Na, ich bin ja auch noch jung. Gib mir etwas Zeit, und ich werde dir beweisen, wozu ich fähig bin."
„Jetzt gehst du wirklich zu weit!" Er funkelte sie wütend an.
„Wieso?" antwortete sie kühl. „Ich sehe Fern an und weiß genau, wie ich in zwanzig Jahren sein werde. Du hältst sie für eine Mitgiftjägerin. Was ist sie noch?"
„Warum interessiert dich das? Willst du sie noch übertreffen?"
„Keine schlechte Idee."
„Da irrst du dich gewaltig." Wieso war sie bloß so unvernünftig? Das konnte doch nicht ihr Ernst sein!
Greeley musterte ihn unverhohlen, und der Ausdruck in ihren Augen gefiel ihm ganz und gar nicht.
„Du hast meine Frage intimer noch nicht beantwortet. Hast du eigentlich oft Sex?"
„Das geht dich nichts an." Quint blickte starr nach vorn.
„O doch. Ich habe einfach keine Lust mehr, darauf zu warten, dass meine schlechten Gene langsam die Oberhand gewinnen. Ich kann genauso gut gleich loslegen."
Das war schlimmer, als er befürchtet hatte. Er hatte keine Ahnung, wie er aus dieser Situation wieder herauskommen sollte. Also beschloss er, ihr Spiel mitzuspielen -
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