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Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Titel: Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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Christen einzutreten. Ganz im Gegenteil: Luther trug mit seinem Judenhass und seinen antijüdischen Schriften noch zu einer Verfestigung der Vorurteile bei. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden seine Schriften triumphierend zitiert und für die ideologische antisemitische Haltung instrumentalisiert.
    Vor diesem Hintergrund konnte der Schriftsteller Elie Wiesel nach der Schoa mit gutem Recht formulieren: »Der nachdenkende Christ weiß, dass in Auschwitz nicht das jüdische Volk gestorben ist, sondern das Christentum.« Und erst vor diesem Hintergrund reagierten die Kirchen und wendeten sich erstmals ausdrücklich gegen die Vorstellung, die Christen hätten die Juden als Volk Gottes abgelöst. Gottes Verheißung für die Juden sei immer gültig geblieben, hieß es nun. Die Arbeitsgruppe »Juden und Christen« auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag 1961 bekannte sich zur Schuld der Christen und formulierte unter anderem: »Juden und Christen sind unlösbar verbunden. Aus der Leugnung dieser Zusammengehörigkeit entstand die Judenfeindlichkeit in der Christenheit. Eine neue Begegnung mit dem von Gott erwählten Volk wird die Einsicht bestätigen oder neu
erwecken, dass Juden und Christen gemeinsam aus der Treue Gottes leben.« Auch die katholische Kirche zeigte auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil die gemeinsamen Wurzeln von Judentum und Christentum auf und gestand ein, dass Juden auch im Namen der Kirche immer wieder verfolgt worden waren.
    Nein, die Christen sind nicht die Nachfolger der Juden, viel eher passt das Bild von den unterschiedlichen Zweigen an dem einen Ölbaum. Jesus war Jude und ist es auch immer geblieben, man kann ihn nicht unabhängig von seinem Volk verstehen, genauso wenig wie man das Christentum ohne seine Wurzeln im Judentum verstehen kann. Das Bekenntnis zu dem einen Gott, die Schriften des Alten Testaments, ethische Vorstellungen, Psalmengebete, die Schöpfungsvorstellungen und auch der Jude Jesus von Nazareth verbinden Judentum und Christentum bis heute. Auch die Christen sind nur ein Zweig am Ölbaum des Volkes Gottes. Daher sollten Christen die Mahnung, die Paulus schon an die Römer richtete, nie wieder vergessen: »So rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du wissen, dass nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich« (Römer 11,18).
    Im NATIONALSOZIALISMUS waren alle Christen Mitläufer
    Dietrich Bonhoeffer formulierte schon im Jahr 1940 zur Mitschuld der Kirche an der Schoa: »Sie war stumm, wo sie hätte schreien müssen, weil das Blut der Unschuldigen zum Himmel schrie. Die Kirche bekennt, die willkürliche Anwendung brutaler Gewalt, das leibliche und seelische Leiden unzähliger Unschuldiger, Hass und Mord gesehen zu haben, ohne ihre Stimme für sie zu erheben, ohne Wege gefunden zu haben, ihnen zu Hilfe
zu eilen. Sie ist schuldig geworden am Leben der schwächsten und wehrlosesten Brüder Jesu Christi.« Der Berliner Pfarrer Dietrich Bonhoeffer war Mitbegründer der Bekennenden Kirche, die in Opposition zu den Deutschen Christen die Ansicht vertrat, die Kirche solle nicht deutsch werden und sich gleichschalten lassen, sondern sich einzig Christus und das Wort Gottes zum Maßstab nehmen. Wegen seiner Beteiligung am misslungenen Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Immer wieder hatte er darauf aufmerksam gemacht, dass die Kirche sich nicht heraushalten dürfe, wenn grundlegende Menschenrechte verletzt werden.
    Nur wenige Christen leisteten allerdings aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus, und die Kirchen waren vor allem mit der Sicherung und Positionierung ihrer eigenen Institution beschäftigt. Man beschränkte sich vorrangig auf die geistlichen Aufgaben und protestierte nur dann, wenn eigene Kirchenmitglieder in Gefahr waren. Das Schicksal der Juden und anderer verfolgter Gruppen geriet dabei mehr oder weniger aus dem Blick.
    Dennoch waren nicht alle Christen Mitläufer. Einige setzten sich aktiv zum Schutz der verfolgten Mitmenschen ein. So engagierten sich zum Beispiel der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg und Margarete Sommer für den Schutz verfolgter Juden. Bernhard Lichtenberg starb nach seiner Verhaftung auf dem Weg ins Konzentrationslager. Die Stadtvikarin Katharina Staritz unterstützte in Breslau getaufte Juden und kam dafür 1942 ein Jahr lang ins Konzentrationslager Ravensbrück. Der Pfarrer Friedrich von Bodelschwingh, Leiter der

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