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Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Titel: Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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die christliche Botschaft geht. Christliche Mystik bleibt nicht Selbstzweck, sie bleibt nicht in esoterischer Selbstversunkenheit stecken: »Der Mensch soll nicht die Dinge fliehen und sich in eine Einöde begeben, sondern er muss lernen, durch die Dinge hindurchzubrechen und seinen Gott darinnen zu ergreifen«, sagte Meister Eckhart. Und Franz von Assisi (1182 – 1226) bat Gott: »Mache, dass ich danach trachte zu trösten, statt getröstet zu werden, zu verstehen, statt verstanden zu werden, zu lieben, statt geliebt zu werden. Denn wir können nur empfangen, wenn wir geben.« Das Glück solcher Erfahrungen liegt nicht in dem Moment der Erfahrung allein, es wird erst wirklich wirksam, wenn man es nicht für sich behält, sondern etwas davon weitergibt, wenn es sich im eigenen Handeln und Leben anderen Menschen mitteilt.
    Ein Wiederentdecken solch emotionaler Glaubenserfahrungen kann auch für uns heute wertvoll sein. »Gott kann nicht durchsucht und durchsiebt werden nach Menschenart, weil in Gott nichts ist, was nicht Gott ist« (Hildegard von Bingen, 1098—1179), wie wir in unserer rationalen Herangehensweise heute viel zu oft meinen und uns damit einer wichtigen Dimension unseres Menschseins berauben. Der Theologie Karl Rahner (1904 – 1984) meinte sogar: »Die Kirche der Zukunft wird mystisch sein – oder sie wird nicht mehr sein.« Aufmerksam werden, sich öffnen für Gott, wieder staunen lernen wie ein Kind, das einen Schmetterling beobachtet, das ist gar nicht so schwierig oder abgehoben, wie es zunächst vielleicht klingt. »Du brauchst Gott weder hier noch dort zu suchen; er ist nicht weiter als vor der Tür des Herzens. Dort steht er und harrt und wartet.« Das wusste schon Meister Eckhart. Aber er wusste auch, was – schon damals und in unserer schnelllebigen, hektischen Gegenwart sicher umso mehr – das größte Problem des Menschen dabei ist: »Gott ist immer in uns, nur wir sind so selten zu Hause.«

N
Christen sind die NACHFOLGER der Juden
    Ein Irrtum mit verheerenden Folgen von Ausgrenzung und Hass bis hin zur Schoa, dem Mord an sechs Millionen Juden während der Zeit des Nationalsozialismus. Wie konnten Christen an dieser unfassbaren Zuspitzung irrationalen Hasses mitwirken, obwohl doch Jesus selbst Jude war?
    Zu Beginn waren die Christen lediglich eine kleine Sekte innerhalb des Judentums. Als immer mehr ehemalige Heiden sich dieser Sekte anschlossen, beschrieb Paulus in einem Brief an die Gemeinde in Rom, wie er sich das Verhältnis zwischen Juden und Heidenchristen vorstellte. Die Heidenchristen seien wie »ein wilder Ölzweig in den Ölbaum eingepfropft worden« und hätten nur dadurch teil »an der Wurzel und dem Saft des Ölbaums« (Römer 11,17). Ein neuer Zweig neben anderen am Baum des Volkes Gottes, eine schöne Vorstellung, die sich allerdings allzu lange nicht durchsetzte. Schon früh gab es Spannungen zwischen Juden und Christen und die Wege gingen auseinander. Während die Juden auf die Ankunft eines Messias warten, erwarten die Christen Jesu Wiederkunft. Sie begannen, sich immer stärker in Abgrenzung gegen die Juden zu behaupten. Obwohl alle Evangelien die Römer für die Kreuzigung Jesu verantwortlich machen, findet die später von den Christen erhobene Behauptung, die Juden seien Schuld an Jesu Tod gewesen, ihren Nährboden schon im Matthäusevangelium. Der Evangelist lässt im Bericht über den Prozess vor Pilatus das jüdische Volk den verhängnisvollen Satz rufen: »Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!« (Matthäus 27,25).

    Schon am Ende des ersten Jahrhunderts stehen sich Judentum und Christentum unvereinbar gegenüber. Christen beziehen die alttestamentlichen Verheißungen wie selbstverständlich nur auf sich und verstehen sich als Nachfolger der Juden, die sie für von Gott verworfen halten, da sie den Anspruch der Christen, sich zu Jesus Christus zu bekennen, nicht erfüllen wollen. Im Mittelalter führten kirchliche und staatliche Unterdrückung zu weiterer Ausgrenzung der Juden, die in den Städten in Ghettos wohnen mussten und, von der Einschleppung von Seuchen bis hin zu Morden und sozialen Ungerechtigkeiten, grundlos für alles Unglück in der Gesellschaft verantwortlich gemacht wurden. Hass und Unmut der Menschen richteten sich immer wieder gegen die Juden. Trotz ihrer Rückbesinnung auf die Bibel und der Wertschätzung auch des Alten Testaments sahen sich auch die Reformatoren nicht berufen, für eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Juden und

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