Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer
bedeutet zum Beispiel bei einem Flug von Berlin nach Nizza und zurück: Man verursacht einen Ausstoß von 620 Kilo CO 2 (und anderen Abgasen), überweist 15 Euro an atmosfair, womit in einem Entwicklungsland Emissionen eingespart werden können, die 620 Kilo CO 2 entsprechen. Bei Fernreisen wird die Sache kostspieliger, für einen Flug von Deutschland nach Thailand und zurück muss man über 150 Euro zur vollen Kompensation hinblättern. So zeigt sich schön deutlich: Ein 14-tägiger Urlaub auf Koh Samui mag an sich nicht viel mehr Geld kosten als dieselbe Zeit auf, sagen wir mal, Ibiza. Aber der Umweltschaden, den die Fernreise verursacht, ist zehnmal so hoch. Entsprechend teuer wird die Wiedergutmachung.
Das Ganze ist sehr abstrakt – schließlich stößt das Flugzeug Schadstoffe in gleicher Menge aus, ob ich mitfliege oder nicht, und weder Emission noch Einsparung noch den konkreten Schaden beziehungsweise Nutzen kann ich mir bildlich vorstellen. Trotzdem finde ich die Idee des Umweltsündenablasshandels nicht schlecht, zumindest solange es keine Alternativen gibt. Schade, dass »weniger als ein Prozent der deutschen Flugpassagiere einen Klimaschutzbeitrag zahlen«, wie eine atmosfair-Mitarbeiterin auf Nachfrage informiert.
Seit jeher ist das Verhältnis zwischen Tourismus und Umweltschutz ein kompliziertes und ambivalentes: Motorisierte Fortbewegung schadet der Umgebung grundsätzlich, Naturlandschaften und wilde Tiere leiden tendenziell unter der Anwesenheit von Touristen. Andererseits wären viele wunderbare Landschaften in aller Welt heute gerodet, zerfurcht, aufgeschlitzt, ausgetrocknet oder sonst wie zerstört und ihre Tierpopulationen wären ausgerottet – gäbe es nicht die Touristen, die wegen der landschaftlichen Schönheit und der Tiere kommen. Solange der Tourismus als Einnahmequelle sprudelt, sind die Bewohner einer Region nicht darauf angewiesen, ihre natürliche Umgebung auszubeuten. Der Erhalt und die Pflege vieler Naturschutzgebiete sind nur durch Tourismus finanzierbar.
Während der einzelne Tourist sich kaum um ökologische Nachhaltigkeit schert, engagieren sich schon heute fast alle deutschen Reiseveranstalter in irgendeiner Weise für die Umwelt. Das ist nicht nur gut fürs Image und Gewissen, sondern auch für die geschäftliche Zukunft: ohne gesunde Umwelt kein florierender Tourismus. Manche Touristikunternehmen haben eigene Stiftungen, andere beteiligen sich an Nachhaltigkeitsinitiativen wie dem Verein Futouris. Er unterstützt zum Beispiel die Aufforstung von Mangrovenwäldern in Sri Lanka, die Versorgung eines Gesundheitszentrums in Kenia mit Solarenergie und Trinkwasser oder den Bau eines Windparks in der Türkei. Manche Reiseunternehmen arbeiten auch mit atmosfair oder der Schweizer CO 2 -Kompensations-Stiftung myclimate zusammen. Außerdem setzen immer mehr Hotels auf Nachhaltigkeit, indem sie beispielsweise den Müll reduzieren und trennen, Solarenergie nutzen, Brauch- statt Trinkwasser für die Gartenanlagen verwenden, Gebäude-Isolierungen verbessern und dadurch den Verbrauch von Heiz- und Kühlungsenergie senken. Praktischerweise wird dadurch ja nicht nur die Umwelt geschont, sondern nebenbei Geld gespart.
Auch für soziale Nachhaltigkeit setzen sich viele Touristikunternehmen ein, indem sie etwa Schulen und Kinderheime fördern, den Bau von Brunnen und Krankenhäusern sponsern oder Projekte zur Ausbildung und Selbstständigkeit von Mädchen und Frauen unterstützen. Sicher ist Tourismus in sozialer Hinsicht oft eine zwiespältige Sache, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern. Aber wenn Unternehmen sich finanziell und ideell an Hilfsprojekten beteiligen, kann man das im Allgemeinen begrüßen.
Für besonders nachhaltigen Tourismus stehen die rund 130 Veranstalter, die sich im forum anders reisen zusammengeschlossen haben. Die von den Mitgliedsfirmen angebotenen Reisen sollen nachweislich umweltschonend und sozial verträglich sein, intensive Kultur- und Naturerlebnisse ermöglichen, gleichzeitig aber nicht allzu viel kosten. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel:
• Es werden bevorzugt kleine Unterkünfte vermittelt, deren Architektur der jeweiligen Region angepasst ist,
• im Angebot sind weder Offroad-Touren mit Geländewagen noch Motorschlittenausflüge,
• die Verpflegung ist landes- und regionstypisch, saisonal und möglichst aus ökologischem Anbau,
• bei Reisezielen, die über 2000 Kilometer entfernt sind, muss der Aufenthalt mindestens zwei
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