Kleines Lexikon der Reise-Irrtuemer
sollte ich ihn bloß beschäftigen? Sollen doch die anderen, dachte ich mir dann – zum Glück war der Butler für mehrere Zimmer zuständig. Aber auch meine Nachbarn schienen keinen Butlerbedarf zu haben, sodass der Arme täglich einige Kilometer allein durch das Hin- und Herspazieren zurückzulegen schien. Als ich mir schließlich die Blöße gab, die deutsche Pressereferentin des Hotels – sie begleitete uns Journalisten – um Butlerbeschäftigungstipps zu bitten, lautete die Antwort: »Vielleicht brauchen Sie einmal einen Regenschirm. Oder Sie lassen sich ein Golfcart kommen, wenn Sie keine Lust haben, zu Fuß zum Haupthaus zu gehen.« Jedoch: Es regnete nie. Und für den Weg zum Haupthaus – zu Fuß brauchte man ungefähr fünf Minuten – einen Elektrowagen herbeischaffen zu lassen, fand ich nicht nur sinnlos, sondern peinlich. Noch peinlicher als das tatenlose Auf- und-ab-Gerenne des Butlers.
In diesem Fall war das Zuviel an Service ein wenig lästig, in anderen Fällen kann es zu mittleren Katastrophen führen. So zum Beispiel bei einer Kollegin am Beginn ihrer Laufbahn als Reisejournalistin. Die junge Frau wohnte allein in einem noblen Hotel und hatte nach ein paar Tagen keine Lust mehr auf das sehr schmackhafte, aber auch sehr langatmige und einsame Essen im Hotelrestaurant. Eines Abends zog sie statt eines Cocktailkleides nur Schlaf-T-Shirt und Bademantel über und bestellte Steak, Wein, Wasser und Dessert aufs Zimmer. Ihr Plan war, sich essend auf dem Bett zu lümmeln und dabei fernzusehen. Es klopfte und herein kam ein Kellner, deckte das Tischchen, servierte Speisen und Getränke – und blieb neben der verzweifelt Essenden stehen, um allzeit nachzufüllen und für ein perfektes Dinner zu sorgen. Wodurch er seinem Gast eine riesige Enttäuschung bescherte.
Die Lösung eines solchen und vieler ähnlicher Probleme liegt nahe, wird aber oft aus übertriebener Höflichkeit nicht realisiert: Man bedanke sich beim Kellner oder anderen Bediensteten, gebe ein gutes Trinkgeld und bewege sich dann Richtung Zimmertür. Zur Not kann man die Tür auch wie zum Abschied öffnen, zur größten Not sagt man: »Sie dürfen jetzt gehen, auf Wiedersehen.« Oder gar: »Ich wäre jetzt lieber allein.« In wirklich guten Häusern sollten solche Maßnahmen aber eigentlich nicht nötig sein.
Den Butler in dem südafrikanischen Hotel konnte ich nicht hinausschicken, er war ja schon draußen und störte somit auch nur in begrenztem Maße. In derselben Anlage aber war ich mit einem anderen Serviceüberangebot konfrontiert, das sich zunehmend zum Störfaktor entwickelte: Allabendlich zwischen meiner Rückkehr ins Hotel und dem Abendessen erschien das Zimmermädchen (zum zweiten Mal an jedem Tag, wie es auch auf Kreuzfahrtschiffen üblich ist), um mein Zimmer nachtfein zu machen. Und das dauerte. Handtücher wurden gewechselt, Papierkörbe und Aschenbecher geleert, das Bad gereinigt, die Tagesdecke gefaltet und verstaut, Kopfkissen aufgeschüttelt, Laken glatt gestrichen, der Bademantel darauf drapiert, Rosenblütenblätter verstreut, ein Gute-Nacht-Gruß und Pralinen auf den Nachttisch gelegt … Alles während der Zeit, in der ich mich gern in Ruhe ausgehfein gemacht hätte. Also ließ ich das Zimmermädchen am zweiten Abend nicht hinein und bat sie, etwas später wiederzukommen. Woraufhin sie im Viertelstundentakt klopfte. Am dritten Abend bedankte ich mich freundlich für ihr Serviceangebot und erklärte, ich könne darauf verzichten, doch die Dame beharrte inständig auf ihrem Aufräum- und Dekorationsrecht. Was mir erst später klar wurde: Wie viele Servicekräfte in aller Welt lebte auch sie vom Trinkgeld. Natürlich hätte ich ihr vor meiner Abreise etwas hingelegt, aber woher sollte sie das wissen? Also versuchte sie, die Trinkgeldwahrscheinlichkeit durch Anwesenheit und Eifer zu steigern. Hätte ich ihr einfach einen Schein in die Hand gedrückt, wäre die Sache für uns beide zufriedenstellend erledigt gewesen. Leider kam ich damals noch nicht darauf.
Wer mit begrenztem Budget reist, sollte sich mindestens zweimal überlegen, ob er in einem Vier-, Fünf- oder mehr Sterne-Hotel wohnen möchte, auch wenn es gerade Zimmer im Supersonderangebot gibt. Denn der Übernachtungspreis ist das eine, Extra-Ausgaben (zum Beispiel für Getränke) und vor allem Trinkgelder sind das andere – da kommt in der Luxusklasse schnell einiges zusammen, ganz gleich, wie viel man für sein Zimmer bezahlt. Im Luxushotel fragt man nicht
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