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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Hand , das wir erst mit großem Interesse lasen, gaben wir auf halbem Weg enttäuscht auf. Ein wirres Skizzenbuch, das man ohne genaue volkswirtschaftliche Fachkenntnisse hilfloser liest als den Börsenteil der Zeitung. Wenigstens was die Schilderung der Kohlen = u. Eis Stahlmagnaten anlangt. Die Arbeiterscenen besser. Aber immer nur dichterische Einzelheiten. Das Ganze nicht gestaltet.
    Jetzt ein feines Skizzenbuch aus Argentinien (kein Roman): Das Buch vom Gaucho Sombra von * Ricardo Guiraldes. 6 (Von * Annemarie geliehen). Der entsprechende * Traven 7 hat mehr Schwung.
    Heute Nachmittag * * Kühns u. * * Blumenfelds bei uns.
    Seit dem 1. Juni lesen wir keine Zeitung mehr. ( * Eva tat es schon lange nicht mehr). Die Depeschen, die man in der Stadt sieht, tun es auch. Es ist ja doch alles die gleiche Lüge.
     

 
    20 Juni Donnerstag
    * Georg hat mir die 6 000 M. geschickt. Zinsfrei, Rückzahlung nach meinem Belieben. Der Brief – die zwei Briefe – liegen hier bei. Es ist sehr nett – u. ein bisschen verächtlich von ihm. Zu freuen vermag ich mich nicht, wenn ich auch ein wenig erleichtert bin. Wir werden den * Baumeister auszahlen, vielleicht eine Kleinigkeit weiter ausbauen, einen Teil an die Iduna zurückzahlen. Dann mag die Misère anfangen. Ich verteidigte mein Im Lande Bleiben in einem Brief an Georg. Ich bin absolut gebunden. – Inzwischen rüstet sich * Blumenfeld, in zwei, drei Wochen nach Lima zu reisen. Ich sehe mit bitterem Neid zu u. empfinde den Neid als Verrat an * Eva. Sie gräbt sich förmlich in ihren Garten ein. Tag um Tag.
    Der ungeheure außenpolitische Erfolg des Flottenabkomens 1 mit England festigt * H. s Stellung aufs bedeutendste. Schon vorher hatte ich in letzter Zeit den Eindruck, daß viele, sonst wohlmeinende Menschen, abgestumpft gegen inneres Unrecht, u. speziell das Judenunglück nicht recht erfassend, sich neuerdings halbwegs mit H. zufriedengeben. Ihr Urteil: Wenn er um den Preis innerpolitischen Rückschritts die äußere Macht Deutschlands wiederherstellt, so verlohnt sich dieser Preis. Man kann ja später im Innern wieder gutmachen – Politik ist nun einmal keine saubere Angelegenheit. Wir hatten vor ein, zwei Wochen * * Kühns als Nachmittagsgäste bei uns, es schien mir, als sei dies die Meinung des sonst so grundbiederen Kühn. –
    Heute erzählte mir Blumenfeld – ich war auf seine Bitte bei ihm, er ist jetzt sehr gehetzt – er habe gestern mit einem Geheimrat * Oster 2 im Ministerium des Äußeren in Berlin gesprochen. Es geht für Bl. darum, ohne die Reichsfluchtvermögenssteuer (25 %!) fortzukomen. O. habe ihm ziemlich offen angedeutet, daß man im Min. d. Äu. mit * Mutschmanns neuester Raserei gegen jüdische Hochschulreste wenig einverstanden sei u. sich zu Gunsten der entlassenen Leipziger Dozenten an das Reichsunterrichtsministerium gewandt habe. B. sprach daraufhin von meinem Fall, u. der Geheimrat notierte ihn sich. – Sonst absolutes Schweigen um mich her. –
     

 
    30. Juni Sonntag Nachm.
    Gestern zum 29. – 31 Jahre! – bekam * Eva Rittersporn für den Garten; der Vertrag mit * Praet. zum Ausbau der beiden Veranden ist auf 1 300 M. abgeschlossen – – alles als wenn wir in gesicherter Lage wären. Manchmal ist mir dabei furchtbar ums Herz, manchmal bin ich ganz ruhig. So ist wenigstens Eva annähernd zufrieden, u. verkehrt könnt ich s auf diese u. jene Weise machen.
    Keine Post, keine Aussicht, absolute Stille. –
    Es machte sich durch * Annemarie Köhlers Eingreifen sehr rasch, daß ich zu einer ausgezeichneten Schreibmaschine kam. Die Kleine Erika von * Isakowitz war a) eine Leihgabe u. b) nicht ideal. Jetzt habe ich von * Dr Schumann, dem Chefarzt des Johanniter Krankenhauses, eine gewaltige vollkommen intakte Ideal für 40 M. gekauft, die wirklich ideal ist. Am Sonnabend, 22/6, waren wir draußen in Heidenau – nettes Abendbrod, Besichtigung des Objektes u. des chefärztlichen Gemüsegartens ) –, am Sonntag holte Zimmermann * Lange auf seinem Motorrad das schwere Stück ein, u. von Montag bis heute habe ich nun das ganze * Montesquieucapitel wirklich druckfertig gemacht, nicht nur auf 25 Seiten mit Durchschlag copiert, sondern auch ganz durchgefeilt. So will ich nun weiterarbeiten: Abschnitt um Abschnitt mit der Hand skizzieren od. abbreviatorisch festlegen u. dann zu endgiltiger Form tippen. Aber der komende Abschnitt: * Condillac etc. macht mir die größten Schwierigkeiten. Immer wieder quält hier die Frage nach den Grenzen der

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