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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Studentinnen) zum Kaffee bei uns. Susi H. erzählte, sie wisse von ihrer Tante, daß Georg in Freib U.S.A. sei. – Gestern sprach ich * Marta auf dem Bahnhof; sie fuhr zu ihrem * Jungen nach Prag; er wartet noch immer auf Einreise-Erlaubnis nach Rußland. Sie erzählte, Georg ist nach Boston übergesiedelt, wo sein * Sohn als Arzt am Hospital angestellt ist. 2 Er war vorher mit * * Sußmanns in Köln zusamen, er hat an * Marta wenigstens einen Abschiedsbrief geschrieben. Mir hat er ein Almosen von 6 000 M. im Somer überlassen (weil er es dem * Vater versprochen habe!), u. dann hat er mich beiseite geschoben. Er hält mich offenbar für ehrlos, weil ich in Deutschland bleibe. Ich werde ihn wohl nicht wiedersehen. Er ist über 70, u. ich bin mit meinem Herzen sehr herunter. – Marta erzählte weiter: * * Felix Ältester 3 ist nach Brasilien, * Betty Kl. 4 will nach USA., auch Sußmanns u. * * Jelskis selber wollen fort – noch vor der Olympiade. Ich werde der letzte von unserer Familie hier sein u. werde hier zugrunde gehen. Ich kann nichts anderes tun.
    Wir graben uns buchstäblich ein. Es ist Wahnsinn, aber vielleicht ist dieser Wahnsinn siegreich u. die beste Kapitalanlage. Wir sind jetzt am Ausschachten der Garage. Nach unendlich vielem Ärger soll sie vorn in die Terrasse eingekellert werden. Das wird supergiù 5 900–1 000 M. kosten. B Das Auto ist am 2. März gekauft worden. 850 M – aber monatlich 19 M. Steuer darauf. Opel 32 Ps, 6 Cylinder, 1932 gebaut, ganz offener Wagen. Der * Colonialwarenhändler hatte uns einen vertrauenswürdigen * Mechaniker Michael empfohlen, der fuhr uns von Händler zu Händler. Wir sahen unseren Wagen zuerst durch ein Fenster hinter verschlossener Tür (bei Meyer in der Friedrichstr.) Sein Aussehen bestach uns. Am Nachmittag war er hier, am Abend gekauft. Ich habe ihn seitdem noch nicht gesehen. Er steht eingemietet bei Michael, der ihn überholen soll. Fahren kann ich ihn erst, wenn seine Papiere aus dem Brandenburgischen beschafft sind. Werde ich fahren können? Wie wird es mit meinen Nerven, wie mit meinem Geld sein? 19 M. Steuern, 33 M. Versicherung monatlich! Das Ganze ein Desperado-Abenteuer. – Bei unserer Rundfahrt in * Kaufmann Vogels Wagen (dafür macht er das Versicherungsgeschäft) sahen wir einen ungeheuren Garagenbau, ein ganzes Kasemattensystem sozusagen, von der Straße aus kaum bemerkbar an der Arnholdstr. Welch ein Handelsobjekt ist das Auto mit seinem Ringsum geworden! Eine Welt.
    * Zimmermann Lange, geschickt aber unzuverlässig, intelligent, aber wie ein zwölfjähriger Junge, hat nach vielen Fehlschlägen seiner Garagenplanung die ganze Seite unter die formale Aegide seines * Baumeisters Grosche gestellt. Ein merkwürdiger Typ, dessen volkstümliche Gesprächigkeit mich schon zwei Nachmittage gekostet hat. Von Grosche nächstens im Zusamenhang.
    * Susi Hildebrandt beim Kaffee in unserer Diele: Sprechen Sie hier? –? – Das Telephon. Wir sprechen nie im Telephonzimmer; es werden häufig, ohne daß der Besitzer es weiß, Mikrophone eingebaut (ein Griff! Mal nachsehen, sagt der Arbeiter, oder was auswechseln.) Dan ist, bei aufgelegtem Hörer, jedes Gespräch im Raum abzuhören. – Sie sagte, H. müsse doch wohl den Krebs haben, seine Stimme sei ganz verändert. Sie rechnet immer noch mit Sturz des Régimes. Wundert sich aber, wieviele Menschen bei allgemeiner Unzufriedenheit an * H. s Person hängen u. glauben. Sie sieht u. spricht SS. u. Reichswehr = u. Industrieleute.
    Glückliches Dänemark! Auf seinen Marken Bilder aus * Andersens Märchen, das Entlein, das Meerfräulein. Gusti W. schreibt uns aus Dänemark; ich besorge hier ihre Geldsachen.
    Man liest Geschichten aus der frz. Revol. in zwei Fassungen: a) Am Tage vor seiner Hinrichtung fiel * Robespierre – er war gerettet. b) Am Tage nach seiner Hinrichtung fiel Robespierre.
    Was wird auf uns zutreffen a) oder b)? Nerven behalten? Es ist ganz einerlei, ob ich sie behalte oder nicht – ich kann nichts tun als warten, wie 1915 an der Batterie, nur in tieferem Dreck.
    * * Wenglers waren einen Nachmittag (26. II) bei uns, schenkten uns ein hübsches Versbuch: * Mascha Kaléko: Das lyrische Stenogra m heft 1 Wir haben starken Verdacht, daß dahinter (entpolitisiert) * Kestner 2 steckt (Herz auf Taille). 3 Jedenfalls ist er es ganz u. gar in gemäßigter Form, aber stilistisch bis zum tz copiert.
    * * * * Die anständigen Köhlers waren bei uns, am Abend des 28/II. * Vater K. erzählte, Polen (das

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