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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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verschwinden zu lassen ... Völlig originelle Gestalten: Phoebe – * Jeanne d Arc, Cap Huff – * Falstaff (aber ein mutiger Falstaff!) der Naturarzt Doc Means ... Im Ganzen der erste Band dichterischer, concentrierter, auch im Hauptthema Steven–Mary–Phoebe packender. Im zweiten Band bleibt Nathaniel gar zu passiv und töricht in seiner Hörigkeit und Peter ist immer nur älterer Bruder und besorgte Klucke. Seine Liebe zu Ellen Phipps und die etwas rätselhafte Gestalt der Ellen mit ihrer dunklen Provenienz und dem Bruder Indianer, lassen kälter, sind gar zu fremd. Auch hat dieser Ban bei grossartigsten Schilderungen (Die Seeschlacht, die Pocken, die Indianer) bei grossartiger Vermeidung alles Gleichartigen – nur Eine Schlachtschilderung! – doch Längen. Das Ganze ein grandioses Werk.
    Jetzt kauen wir schon sehr lange an * George Santayana Der letzte Puritaner 5
    Überall bedeutend und auch fesselnd, aber mit langen schweren psychologisch ethischen Erwägungen, und wir sind abends beide sehr abgekämpft und brauchen dann Aufmunterung, sonst versagt mir die Stimme und * Eva schläft ein. Der Autor soll Professor der Philosophie sein und das Buch als seinen ersten Roman mit 70 Jahren geschrieben haben. Ein Fehler ist wohl, dass die Mutter in ihrer Enge und egoistischen Heuchelei allmählich zu bösartig verzerrt wird.
    Ich möchte in meine Vita schreiben, was mir heute einfiel. ERUDIT und SAVANT. 1 Wir haben im Deutschen die Wortunterscheidung nicht, aber die Sache. Der Savant wird vom Erudit immer sagen, er hafte am Rohstoff, er komme aus dem Stofflichen nur gerade ein wenig heraus (günstigstenfalls!); der E. wird vom Savant sagen, er leiste nicht die eigentliche Arbeit, beute nur den E. aus spiele, schmücke, brilliere. Hie Lautverschieber hie Literat! Ich bin immer savant gewesen, aber ehrlich nachgedacht habe ich auch immer, und, mindestens in späteren Jahren, auch sehr ernstlich gearbeitet.
     

 
    28. Juni, Sonntag Montag.
    Am Montag morgen, 21. Juni, waren wir bei den letzten Vorbereitungen zur Strausberg- und Nordseefahrt. Da erscheint um acht der Gemeindegärnter: [C]ontrolle, ob der Garten gesäubert. Ich zeige ihm, dass alles geschnitten ist; er greift irgendwo in den Boden: hier ist noch Unkraut und hier und hier – ich muss da[s] melden, man wird Ihnen zwangsweise Arbeiter herschicken – Forstgesetz – etc. Ich: was verlangen Sie eigentlich? – Der Garten muss für ein paar hundert Mark von Fachgärtnern durchgearbeitet werden. Ich: wo soll ich das Geld hernehmen? Man hat mich aus dem Amt geworfen. – Er, ein gutmütiger einfacher Mensch, dem nun die Augen aufgehen: Ach, Sie sind wohl Nichtarier? Jetzt war ihm der Zusammenhang und die Unausweichlichkeit der Chicane klar. Es tue ihm leid, aber wenn er anders berichte, als dass hier noch Unkraut wachse, dann komme eine Oberkontrolle und er verliere sein Amt. – Ich habe es nicht gewagt unter diesen Umständen zu fahren. Telegramm an * Grete. Zu * Weller. 2 Der war Mittags hier und Abends unterschrieb ich ihm einen Vertrag: Der Garten wird ganz durchgearbeitet und mit Rasen besät. Preis: 400 bis maximal 500 Mark. Raten monatlich 50 Mark. Das bedeutet für uns viele Monate äusserster Enge, es bedeutet zugleich die Unmöglichkeit, der Iduna das Geringste zu zahlen, damit die endgiltige Aufgabe der Lebensversicherung, einen Verlust von Tausenden, und die [v]erlorene Hypothekdeckung (die * Wenglerhyp. läuft noch vier Jahre). Und es bedeutet keineswegs, das ich nun vor weiterer Chicane Ruhe habe. Etwas findet sich immer, wenn man finden will. Und man will. Das Nächste dürfte das Dach sein. Es ist neulich ein Baugesetz gegen hemmungslosen Liberalismus herausgekommen, die Häuser müssen gleichartig der Strasse und Landschaft angepasst sein; man wird also statt meiner Dachpappe: Schiefer fordern. Usw. usw. Es ist merkwürdig, wie stumpf ich das alles hi[n]nehme: vielleicht verrecken wir bei Zeiten, vielleicht verrecken die andern, vielleicht findet sich irgendwo ein Ausweg, wie er sich schon ein paarmal gefunden hat. Man kann nicht helfen, man kann nicht normal leben in anormaler Zeit. Ich will nicht mehr über das [M]orgen hinaus sorgen, es ist alles so zwecklos. – Also sind wir zuhause geblieben, also arbeiten seit Donnerstag zwei Mann im Garten, also habe ich mit dem für die Iduna zurückgelegten Geld die ersten beiden Gärtnerraten gedeckt.
    Inzwischen rumoren auch wieder * E. s Zähne, zum Glück nur die nicht schmerzenden

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