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Klingsors letzter Sommer

Klingsors letzter Sommer

Titel: Klingsors letzter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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wieder.
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    Nachts schlief er wenig. Oft erwachte er
    aus angstvollen Träumen, Schweiß im Ge-
    sicht, wild und lebensmüde, und sprang
    doch alsbald auf, starrte in den Schrank-
    spiegel, las die wüste Landschaft dieser ver-
    störten Züge ab, düster, haßvoll, oder lä-
    chelnd, wie schadenfroh. Er hatte einen
    Traum, in dem sah er sich selbst, wie er
    gefoltert wurde, in die Augen wurden Nä-
    gel geschlagen, die Nase mit Haken aufge-
    rissen; und er zeichnete dies gefolterte Ge-
    sicht, mit den Nägeln in den Augen, mit
    Kohle auf einen Buchdeckel, der ihm zur
    Hand lag; wir fanden das seltsame Blatt
    nach seinem Tode. Von einem Anfall von
    Gesichtsneuralgien befallen, hing er
    krumm über die Lehne eines Stuhles, lachte
    und schrie vor Pein und hielt sein entstell-
    tes Gesicht vor das Glas des Spiegels, be-
    trachtete die Zuckungen, verhöhnte die
    Tränen.
    Und nicht sein Gesicht allein, oder seine
    tausend Gesichter, malte er auf dies Bild,
    nicht bloß seine Augen und Lippen, die
    leidvolle Talschlucht des Mundes, den ge-
    spaltenen Felsen der Stirn, die wurzelhaf-
    ten Hände, die zuckenden Finger, den
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    Hohn des Verstandes, den Tod im Auge.
    Er malte, in seiner eigenwilligen, überfüll-
    ten, gedrängten und zuckenden Pinsel-
    schrift sein Leben dazu, seine Liebe, seinen
    Glauben, seine Verzweiflung. Scharen
    nackter Frauen malte er mit, im Sturm vor-
    beigetrieben wie Vögel, Schlachtopfer vor
    dem Götzen Klingsor, und einen Jüngling
    mit dem Gesicht des Selbstmörders, ferne
    Tempel und Wälder, einen alten bärtigen
    Gott mächtig und dumm, eine Frauenbrust
    vom Dolch gespalten, Schmetterlinge mit
    Gesichtern auf den Flügeln, und zuhinterst
    im Bilde, am Rande des Chaos den Tod, ein
    graues Gespenst, der mit einem Speer,
    klein wie eine Nadel, in das Gehirn des
    gemalten Klingsor stach.
    Wenn er stundenlang gemalt hatte, trieb
    Unruhe ihn auf, rastlos lief er und
    flackernd durch seine Zimmer, die Türen
    wehten hinter ihm, riß Flaschen aus dem
    Schrank, riß Bücher aus den Schäften, Tep-
    piche von den Tischen, lag lesend am Bo-
    den, lehnte sich tief atmend aus den Fen-
    stern, suchte alte Zeichnungen und Photo-
    graphien und füllte Böden und Tische und
    Betten und Stühle aller Zimmer mit Papie-
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    ren, Bildern, Büchern, Briefen an. Alles
    wehte wirr und traurig durcheinander,
    wenn der Regenwind durch die Fenster
    kam. Er fand sein Kinderbildnis unter alten
    Sachen, Lichtbild aus seinem vierten Jahr,
    in einem weißen Sommeranzug, unterm
    weißlich hellblonden Haar ein süßtrotziges
    Knabengesicht. Er fand die Bilder seiner
    Eltern, Photographien von Jugendgelieb-
    ten. Alles beschäftigte, reizte, spannte,
    quälte ihn, riß ihn hin und her, alles riß er
    an sich, warf es wieder hin, bis er wieder
    davon zuckte, über seiner Holztafel hing
    und weitermalte. Tiefer zog er die Furchen
    durch das Geklüft seines Bildnisses, breiter
    baute er den Tempel seines Lebens auf,
    mächtiger sprach er die Ewigkeit jedes Da-
    seins aus, schluchzender seine Vergäng-
    lichkeit, holder sein lächelndes Gleichnis,
    höhnischer seine Verurteilung zur Verwe-
    sung. Dann sprang er wieder auf, gejagter
    Hirsch, und lief den Trab des Gefangenen
    durch seine Zimmer. Freude durchzuckte
    ihn und tiefe Schöpfungswonne wie ein
    feuchtes frohlockendes Gewitter, bis
    Schmerz ihn wieder zu Boden warf und
    ihm die Scherben seines Lebens und seiner
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    Kunst ins Gesicht schmiß. Er betete vor
    seinem Bild, und er spie es an. Er war
    irrsinnig, wie jeder Schöpfer irrsinnig ist.
    Aber er tat im Irrsinn des Schaffens unfehl-
    bar klug wie ein Nachtwandler alles, was
    sein Werk förderte. Er fühlte gläubig, daß
    in diesem grausamen Kampf um sein Bild-
    nis nicht nur Geschick und Rechenschaft
    eines Einzelnen sich vollziehe, sondern
    Menschliches, sondern Allgemeines, Not-
    wendiges. Er fühlte, nun stand er wieder
    vor einer Aufgabe, vor einem Schicksal,
    und alle vorhergegangene Angst und
    Flucht und aller Rausch und Taumel war
    nur Angst und Flucht vor dieser seiner
    Aufgabe gewesen. Nun gab es nicht Angst
    noch Flucht mehr, nur noch Vorwärts, nur
    noch Hieb und Stich, Sieg und Untergang.
    Er siegte, und er ging unter, und litt und
    lachte und biß sich durch, tötete und starb,
    gebar und wurde geboren.
    Ein französischer Maler wollte ihn besu-
    chen, die Wirtin führte ihn ins Vorzimmer,
    Unordnung und Schmutz grinste im über-
    füllten Raum. Klingsor kam, Farbe an den
    Ärmeln, Farbe

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