Klingsors letzter Sommer
im Gesicht, grau, unrasiert,
mit langen Schritten rannte er durch den
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Raum. Der Fremde brachte Grüße aus Pa-
ris und Genf, sprach seine Verehrung aus.
Klingsor ging auf und ab, schien nicht zu
hören. Verlegen schwieg der Gast und be-
gann sich zurückzuziehen, da trat Klingsor
zu ihm, legte ihm die farbenbedeckte Hand
auf die Schulter, sah ihm nah ins Auge.
»Danke«, sagte er langsam, mühsam,
»danke, lieber Freund. Ich arbeite, ich kann
nicht sprechen. Man spricht zu viel, immer.
Seien Sie mir nicht böse, und grüßen Sie
mir meine Freunde, sagen Sie ihnen, daß
ich sie liebe.« Und verschwand wieder ins
andere Zimmer.
Das fertige Bild stellte er, am Ende dieser
gepeitschten Tage, in die unbenutzte leere
Küche und schloß ab. Er hat es nie gezeigt.
Dann nahm er Veronal und schlief einen
Tag und eine Nacht hindurch. Dann wusch
er sich, rasierte sich, legte neue Wäsche und
Kleider an, fuhr zur Stadt und kaufte Obst
und Zigaretten, um sie Gina zu schenken.
Klingsor an Edith
Heut spiel ich dir ein Lied
Auf gedämpfter Saite am
Winterabend,
Ein Lied aus der grünen Zeit,
Da uns die Waldnacht zärtlich
Mit Liebeslaubgeflüster in sich sog.
Leise schleicht die Dämmerung
Die vergessenen Pfade mein Lied,
Ach, die nie vergessenen,
Wo ich Klingsors heimliche Krone trug
Und im glühenden Julimond
Fromm den Göttern des Weins und der
Liebe geopfert.
Seid ihr alle denn tot, geliebte
Bilder jener verzauberten Zeit?
Ja, ihr starbt, ihr welktet! Ich aber
Lebe, und wenn mir der nächste Sturm
Eure Asche vom Haupt und den Schleier
vom Herzen reißt,
Funkelt die Krone, glühn alle Sterne neu,
Und die schwellenden Wälder rufen
Meinen Namen und meine Liebe dir zu.
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Klingsor an den »Schatten«
Das Karussell war in der Nacht
verglüht,
Der Tanz zu Ende, die Musik versprüht,
Vom Wein die Tafel rot.
Wir saßen noch und starrten, müd vom
Wein,
Schwül kam der Wind durchs offne Tor
herein,
Im Garten stand der Tod.
Du deinen Weg, ich meinen, gingen wir
Schweigend hinweg und suchten
Nachtquartier,
Die Freude war verloht.
Und seither tönt der Nachtwind mir im
Ohr
Von damals, und an jedem Weg und Tor
Steht immer noch der Tod.
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Gedenken an den Sommer Klingsors
Zehn Jahre schon, seit Klingsors
Sommer glühte
Und ich mit ihm die warmen Nächte lang
Bei Wein und Frauen so verloren blühte
Und seine trunknen Klingsor-Lieder sang!
Wie anders schau᾽n und nüchtern jetzt die
Nächte,
Wie so viel stiller geht mein Tag einher!
Wenn auch ein Zauberwort mir
wiederbrächte
Den Rausch von einst – ich wollte ihn nicht
mehr.
Das eilige Rad nicht mehr zurückzurollen,
Still zu bejah᾽n den leisen Tod im Blut,
Nicht mehr das Unausdenkliche zu wollen,
Ist meine Weisheit jetzt, mein Seelengut.
Ein andres Glück, ein neuer Zauber faßten
Seither mich manchmal: nichts als Spiegel
sein,
Darin für Stunden, so wie Mond im Rhein,
Der Sterne, Götter, Engel Bilder rasten.
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Erinnerung an Klingsors Sommer
K lingsors letzter Sommer und die mit ihm
damals im gleichen Bande erschie-
nene Erzählung Klein und Wagner sind im
selben Sommer, einem für die Welt und für
mich ungewöhnlichen und einmaligen
Sommer, entstanden. Es war im Jahre
99. Der vierjährige Krieg war zu Ende,
die Welt schien in Scherben geschlagen,
Millionen von Soldaten, von Kriegsgefan-
genen, von Bürgern kehrten aus Jahren des
starren uniformierten Gehorchens in eine
so ersehnte wie gefürchtete Freiheit zu-
rück. Der Krieg, der große Weltregent,
war gestorben und begraben; leer wartete
eine veränderte und verarmte Welt auf ent-
lassene Sklaven. Jeder hatte sich nach die-
ser Welt und nach freier Bewegung in ihr
glühend gesehnt, und jedem war doch auch
bange vor der Entlassung und Freiheit, vor
den unvertraut gewordenen Bezirken des
Privaten und Eigenen, vor der Verantwor-
tung, die jede Freiheit bedeutet, vor den
lang unterdrückten und beinahe zu Fein-
den gewordenen Regungen, Möglichkei-
ten und Träumen des eigenen Herzens. Auf
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viele wirkte die neue Atmosphäre wie ein
Rauschgift. Viele hatten im Augenblick
der Befreiung zu nichts anderem Lust, als
alles in Trümmer zu hauen, wofür sie diese
Jahre gekämpft und geblutet hatten. Jeder
hatte das Gefühl, etwas verloren und ver-
säumt zu haben, ein Stück Leben, ein Stück
vom Ich, ein Stück Entwicklung, Anpas-
sung und Lebenskunst. Es gab junge Män-
ner, welche noch in
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