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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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beschäftigte. Sie hatten panische Angst, Ihr Neffe würde sich Hals über Kopf in mich verlieben. Als ein stolzer Mann aus einer stolzen Familie durften Sie das natürlich nicht zulassen. Sie hätten alles getan, um das zu verhindern, und Mr. Carpenter ebenso, weil Sie wußten, wie solche Affären - die Frau sechs oder sieben Jahre älter -, wie solche Affären einen jungen Mann für den Rest seines Lebens völlig aus der Bahn werfen können. Sie wußten das, aber ich, Lord Luton, ich wußte es auch. Ich hätte niemals zugelassen, daß es soweit gekommen wäre .«
    »Aber Sie haben ihn doch noch ermutigt. Harry und ich haben es selbst gesehen.«
    »Ich habe dabei nicht an Philip gedacht«, sagte sie reumütig. »Ich dachte nur an mich. Ich hatte einen schrecklichen Verlust erlitten. Am Ende der Welt. Saß da ohne einen Penny in der Tasche. Lord Luton, ich brauchte Zuspruch. Ich brauchte die Zuneigung eines Menschen. In der kalten, kalten Welt da draußen brauchte ich Wärme.« Ihr Gesicht mit den Händen bedeckend, weinte sie leise ein paar Augenblicke, dann sagte sie, wobei sie die Nase mit dem Ärmel abwischte: »Er war so ein netter Junge, so herzensgut, so vielversprechend. Ich teile Ihre Trauer über den Verlust.«
    Luton, ein Mensch, der in dem vergangenen Jahr so viele
    Niederlagen hatte einstecken müssen, wie sie wenige im ganzen Leben erfahren, mußte sich von einem bösen Gedanken befreien und gestand: »Einmal war ich dermaßen außer mir, daß ich sogar in Erwägung zog, Sie einfach bei Nacht über Bord zu stoßen. Harry hat mich daran gehindert. Er dachte, ich scherze, aber es war mir ernst.«
    Irina starrte Luton an. Er wich ihrem Blick aus, und sie fragte, welchen seelischen Mechanismus der Tod seiner Freunde bei ihm ausgelöst haben mochte, daß er ihr, dem Opfer seiner bösen Eingebung, in diesem Moment diesen ungeheuren Gedanken offenbarte. Wenig später fragte sie: »Was ist verkehrt gelaufen, daß drei aus Ihrer Gruppe umgekommen sind?«
    »Die Natur hat uns eine Reihe übler Streiche gespielt - wie der Sturm, der Ihr erstes Boot auf dem Great Slave versenkt hat.« Er war noch immer nicht zu dem Eingeständnis bereit, daß er der unbarmherzigen Natur gewissermaßen Vorschub geleistet hatte, ihre Vergeltungsschläge für seine groben Fehlentscheidungen geradezu herausgefordert hatte. »Man könnte es auch Glück im Unglück nennen.« Zu seiner eigenen Überraschung stellte er dann die Frage: »Sind Sie schon einmal jemandem begegnet, der dem Tod durch Skorbut nur so knapp entronnen ist . dem langsamen Dahinfaulen des menschlichen Körpers?« Er hielt Daumen und Zeigefinger zusammen, daß nur ein Spaltbreit zwischen ihnen lag.
    »Und jetzt geht es also zurück nach England und auf ein Schloß irgendwo, nehme ich an?«
    »Ja, ich habe ein Schloß und eine neue Verantwortung.«
    Ein Strom von Tränen überwältigte sie, und schließlich flüsterte sie: »Ich kann die Gesichter jedes einzelnen von euch sehen und die Gesichter meiner drei Jungs. Sie werden immer bei uns bleiben.«
    Als Luton nichts erwiderte, schloß sie: »Als wir uns beim erstenmal trennten, weigerten Sie sich, meinen Abschiedskuß entgegenzunehmen. Stoßen Sie mich nicht noch einmal zurück.« Er erhob sich, stand kerzengerade, und seinen Widerwillen verbergend, gestattete er ihr, ihn zu küssen, aber auf die Zehenspitzen mußte sie sich dazu schon stellen. Dann fragte er: »Was werden Sie machen, wenn das Gold ausgeht?« Aber sie zuckte nur mit der Schulter, während sie ihr Käppi wieder aufsetzte. »Wer weiß? Vielleicht läuft Verner zum nächsten Goldfeld. Wer kann vorhersagen, was wir tun werden? Wir sind Reisende, unterwegs zu einem Ziel, das wir nicht sehen können. Aber es ist wie die Fahrt auf dem Mackenzie, wenn man beim erstenmal zurückgeworfen wird, versucht man es immer wieder.«
    Sie machte Fogarty und ihrem Mann ein Zeichen, daß ihre Unterredung beendet war, ging auf sie zu und beobachtete noch, wie Lord Luton energisch die Falltreppe hochstieg und sich an der Reling der »Jos. Parker« umdrehte, um sie zum Abschied zu grüßen. »Wo fahren Sie hin?« brüllte der Australier, und er rief hinunter: »Zurück in die Zivilisation.« Mit einem seltsamen, teuflischen Vergnügen blieb Evelyn an der Reling stehen und verfolgte, wie die drei heiter von dannen zogen. »Da gehen sie, ein neureicher irischer Bauer, der besser sein will, als er ist, ein ungeschlachter Australier ohne Nacken, der nicht einmal die englische

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