Kloster Northanger
bitte sobald wie möglich auf und sag ihm, ich bäte um Entschuldigung – das heißt, ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber mache ihm so schonend wie möglich klar, was ich meine. Ich möchte von jemandem, der dein Bruder ist, bestimmt nicht gerne respektlos sprechen, Isabella, aber du weißt genau, wenn ich einen Mann allen anderen vorzöge, dann nicht ihn.« Isabella schwieg. »Meine liebe Freundin, sei bitte nicht böse mit mir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Bruder sich so viel aus mir macht. Und dann sind wir ja ohnehin Schwägerinnen.«
»Schließlich«, sie errötete, »gibt es mehr Möglichkeiten, Schwägerinnen zu werden. Aber wohin verirre ich mich da? 31 Na ja, meine liebe Catherine, es scheint also, als ob du den armen John zurückweist, stimmt das?«
»Ich kann seine Zuneigung nicht erwidern und hatte daher nie die Absicht, sie zu ermutigen.«
»Da das der Fall ist, will ich dich auch nicht weiter damit belästigen. John hat mich gebeten, mit dir darüber zu sprechen, und das habe ich getan. Aber ich muss gestehen, sobald ich seinen Brief las, fand ich die ganze Angelegenheit sehr dumm und unüberlegt und keinem von euch zuträglich, denn wovon wolltet ihr wohl leben, gesetzt den Fall, es würde etwas daraus. Ihr seid zwar beide nicht ganz mittellos, aber von einer Handvoll kann man heutzutage keine Familie ernähren, und trotz allem, was romantische Gemüter auch sagen mögen, kommt man ohne Geld nicht weit. Ich frage mich nur, wie John darauf kommen konnte; er hat meinen letzten Brief wohl nicht bekommen.«
»Du sprichst mich also von jedem Vorwurf frei? Du bist überzeugt, dass ich nie die Absicht hatte, deinen Bruder zu hintergehen, bis zu diesem Augenblick keine Ahnung hatte, dass er mich so gern mag?«
»Oh! Was das betrifft«, antwortete Isabella lachend, »ich tue nicht so, als ob ich wüsste, was deine Pläne und Absichten vor einiger Zeit gewesen sein mögen. All das weißt du selbst am besten. Ein kleiner Flirt oder so kommt einmal vor, und oft lässt man sich dazu verleiten, mehr Ermutigung zu geben, als man dann verantworten möchte. Aber du kannst überzeugt sein, dass ich der letzte Mensch auf der Welt bin, der dich verurteilt. Alle diese Dinge muss man der Jugend und dem Temperament zugestehen. Was man heute meint, braucht man morgen nicht zu meinen. Umstände wandeln sich, Meinungen wechseln.«
»Aber meine Meinung von deinem Bruder hat sich nie gewandelt, sie war immer dieselbe. Du beschreibst etwas, was es gar nicht gab.«
»Meine liebste Catherine«, fuhr die andere fort, ohne überhaupt zuzuhören, »ich möchte dich nicht um alles in der Welt zu einer Verlobung überreden, bevor du weißt, was du willst. Ich glaube nicht, dass ich irgendwie ein Recht dazu habe zu wünschen, dass du dein ganzes Glück opferst, nur um meinem Bruder einen Gefallen zu tun, weil er mein Bruder ist, der doch schließlich und endlich ohne dich ebenso glücklich werden kann, denn die Leute wissen selten, was sie eigentlich wollen, junge Männer vor allem, sie sind so ungeheuer wankelmütig und unbeständig. Was ich sagen will, ist, warum sollte mir das Glück eines Bruders teurer sein als das einer Freundin? Du weißt, ich stelle ziemlich hohe Ansprüche an die Freundschaft. Aber vor allen Dingen, meine liebe Catherine, überstürze nichts. Verlass dich auf mich, wenn du es zu sehr überstürzt, wirst du es später im Leben bestimmt bereuen. Tilney sagt, über nichts irren sich Leute so häufig wie über ihre eigenen Gefühle, und ich glaube, da hat er sehr recht. Ah! Da kommt er ja. Aber was liegt daran, er sieht uns sowieso nicht.«
Catherine blickte auf und sah Hauptmann Tilney, und da Isabella beim Sprechen ihren Blick unverwandt auf ihn gerichtet hielt, wurde er bald auf sie aufmerksam. Er trat sofort auf sie zu und nahm den Platz neben Isabella ein, den sie ihm mit einer Geste anbot. Seine ersten Worte machten Catherine stutzig. Obwohl sie leise gesprochen wurden, konnte sie verstehen: »Was! Immer unter Aufsicht, entweder von ihm oder von seiner Vertreterin!«
»Pah! Unsinn!«, lautete Isabellas Antwort im selben halb flüsternden Ton. »Warum wollen Sie mir so etwas einreden? Wenn ich es glauben könnte … Ich bin ja schließlich ziemlich unabhängig.«
»Wenn nur Ihr Herz auch unabhängig wäre. Das würde mir genügen.«
»Mein Herz, wie! Was gehen Sie denn Herzen an? Ihr Männer habt doch allesamt kein Herz.«
»Wenn wir kein Herz haben, so haben wir doch Augen; die
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