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Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

Titel: Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sendhil Mullainathan
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und Disziplin nicht in der Praxis heraus? Wird sich die Willensstärke nicht bei den Armen, die sie ständig beweisen müssen, stärker entwickeln? Es gibt wenig Beweise, dass die Willensstärke wächst, wenn sie gefordert wird. 8 (Denken Sie daran, welch ironische Pointe es gegenüber der allgemeinen Meinung wäre, wenn die Armen größere Willensstärke hätten!) Und selbst wenn die Armut die Willensstärke vergrößert, gibt es Gründe, anzunehmen, dass das nicht reicht, um nahezu unfehlbar zu bleiben, wie es eigentlich nötig ist.
    Wie auch immer, es gibt auch gute Beweise für das Gegenteil. Forschungen aus neuerer Zeit zeigen, dass die Selbstkontrolle nachlässt , wenn sie von uns gefordert wird. In einer Untersuchung wurden beispielsweise Menschen auf Diät in einen Raum mit verführerischen Snacks gebracht (Doritos, Skittles, M&Ms, gesalzene Erdnüsse), um dort eine Aufgabe am Computer zu erledigen. 9 Für einige wurden die Snacks deutlich sichtbar auf dem Tisch in ihrer Nähe platziert. Für die anderen standen sie weit entfernt, sodass sie in Vergessenheit gerieten. Nachdem die Computeraufgabe erledigt war, erhielten alle Teilnehmer Zugang zu großen Behältern mit Eis. Die nahe bei den Snacks saßen und immer gezwungen waren, Widerstand zu leisten, wurden nun schwach. Sie aßen signifikant mehr Eis als die anderen, die von den weit entfernten Snacks nicht so sehr verführt worden waren. Forscher auf diesem Gebiet haben die Willensstärke mit einem Muskel verglichen, der beim Gebrauch ermüdet. Nach dieser Annahme würde die ständige Notwendigkeit,Verführungen zu widerstehen, dazu führen, dass der Widerstand schwächer wird und es noch schwieriger wird, der Knappheitsfalle zu entkommen.
die wurzel des problems
    Knappheitsfallen sind besonders schmerzlich, weil sie das Gefühl erwecken, man könnte dem Strudel bereits mit einer einmaligen Geldspritze entkommen, mit der alle Schulden beglichen werden. »Wenn ich nur ein wenig mehr Zeit hätte«, klagt der Mensch, der mit seinen Terminen ständig hinterherhinkt. »Ich würde alles erledigen und wäre dann immer vornweg.« Für die Straßenhändlerin wäre die Lösung, das Geld zum Kaufen der Tagesmenge an Obst und Gemüse zu haben (statt es mühsam in kleinen Raten zusammenzusparen). Dann wäre sie aus der Schuldenfalle befreit und hätte das doppelte Einkommen. In all diesen Fällen scheint es so, dass eine einmalige Spritze mit Ressourcen das Problem lösen könnte.
    Um herauszufinden, was wirklich passiert, beschlossen wir, den Straßenhändlerinnen von Koyambedu das Geld zu geben, das sie brauchten. Wir arbeiteten mit dem Ökonomen Dean Karlan zusammen und führten eine Untersuchung mit Hunderten von Straßenhändlerinnen durch. Der Hälfte von ihnen gaben wir nichts, verfolgten aber ein Jahr lang ihre Finanzen. Der anderen Hälfte ermöglichten wir, der Schuldenfalle zu entkommen: Wir zahlten alle Schulden. Über Nacht waren aus Schuldnern potenzielle Sparer geworden. Und ihr Einkommen hatte sich wirklich verdoppelt.
    Wir wollten das Warum und Wie der Knappheitsfalle verstehen. Nehmen wir beispielsweise einige der üblichen Erklärungen dafür, dass für die Straßenhändlerinnen die Falle zuschnappt. Eine mögliche Erklärung ist, dass sie lieber borgen als sparen, weil sie gar keinen sicheren Platz für ihre Ersparnisse haben. Sie haben kein Bankkonto und könnten Sorge haben, was mit ihrem Geld passiert, wenn sie herumsitzen: Es könnte leicht gestohlen oder von den anderen Familienmitgliedern ausgegeben werden. Wäre dies der Fall, müssten sie mit dem Geld, das wir ihnen geben, sofort etwas Sicheres und Dauerhaftes kaufen und dann weiter borgen. Was sie schließlich in die Schuldenfalle zurückbrächte.
    Eine weitere denkbare Erklärung ist, dass Straßenhändlerinnen einfach kurzsichtig sind: Sie sind in ihrer Schuldenfalle gefangen, weil sie zu wenig über die Zukunft nachdenken. Diese Vermutung geht unserer Ansicht nach in die falsche Richtung. Die Straßenhändlerinnen müssen morgens um 3 Uhr aufstehen und in einer vollgestopften Auto-Rikscha eine dreiviertel Stunde fahren, um ihre Waren einzukaufen. Dann verbringen sie den ganzen Tag in der heißen Sonne. Das klingt kaum nach dem Verhalten eines kurzsichtigen Menschen. Man könnte nun argumentieren, dass die Straßenhändlerinnen, zumindest was ihre Finanzen betrifft, zu wenig in die Zukunft schauen. Wäre das so, müssten sie das Geld, das wir ihnen geben, verschleudern. Sie können sich

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