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Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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ein Zirkel, ein Maßband und ein Stift.
    »Hier plant Ihr Eure Fahrten?«, fragte Bren.
    »Jeder Kapitän entscheidet selbst, wohin er den Bug seines Schiffes dreht. Aber wenn er will, kann er sich hier Anregungen holen.« Cherron sah ihn mit schiefem Grinsen an.
    Die Augen! Es waren diese unbewegten Kristalle, zu klobig, als dass die Lider sich darüber hätten schließen können, sodass sie ständig unbewegt starrten, die Bren an die Fayé erinnerten. Auch diese hatten keine Pupillen, keine Iris, kein Augenweiß, sondern lediglich ständig geöffnete Höhlen, in denen farbige Nebel wallten. Zwar hatte man bei ihnen den Eindruck, dass in diesen Öffnungen die Tiefe der Unendlichkeit auf einen unvorsichtigen Verstand lauerte, während sich Cherrons Kristalle nach außen wölbten. Aber das Starren war dennoch ähnlich. Es hatte etwas Lebloses.
    »Ich denke, wir nehmen das Schiff«, hauchte Gadior. Bren glaubte Andacht in seiner Stimme zu hören.
    Der Osadro stand vor dem einzigen Gemälde, das zwischen den Karten die Wände des achteckigen Raumes zierte. Es war nicht besonders groß, erst recht nicht, wenn man es mit den titanischen Kunstwerken verglich, die man in Ondrien zu Ehren der Schattenherren erschuf. Es war weniger als eine Armspanne breit und kaum einen Schritt hoch. Auch der Rahmen war eher schlicht, in leichten Schwüngen gedrechseltes Holz, von dem die Goldbeschichtung abblätterte.
    »Ihr seht erstaunlich gut im Dunkeln«, stellte Cherron fest und brachte die Kerze näher an das Bild, damit auch Bren das Motiv erkennen konnte.
    Links war Flutatem dargestellt, so, wie sich die Stadt Bren bei ihrer Ankunft präsentiert hatte, als sie vom Hang darauf hinabgeschaut hatten. Der Conato war ein schmales blaues Band, das in einem wolkigen Weiß endete, dem Wasserfall. Dahinter kam eine große, blaugrüne Fläche, die den Großteil des Bildes ausmachte, das am rechten Rand von grauweißen Schlieren begrenzt wurde, in denen stumm schreiende Gesichter angedeutet waren. Davor waren einige Inseln gemalt.
    Die Bildmitte nahm eine Galeere ein. Drei Reihen Ruder tauchten in das Wasser. Die Figuren auf dem Deck waren nur angedeutet, ihre Gesichter nicht zu erkennen. Lediglich eine einzige bildete eine Ausnahme. Eine Frau in einem Kleid, das an einem Königshof, aber nicht auf einem Schiff angemessen war. Ihr hüftlanges, schwarzes Haar fiel glatt über ihren Rücken. Der Stoff ließ die Schultern frei, sodass viel von der schneeweißen Haut zu erkennen war, für die der Maler eine noch hellere Farbe gewählt hatte als für die filigran gearbeitete Elfenbeinkrone. Die Frau stand im Bug und sah nach rechts, den Inseln entgegen.
    »Welches Ziel hat sie angesteuert?«, fragte Bren.
    Cherron machte eine wegwerfende Bewegung. »Irgendeine der Inseln vor dem Seelennebel. Wir wissen nicht, welche. Aber sie ist auf das offene Meer hinausgefahren, nicht ander Küste entlang, so viel ist in Elljas’ schmalzigen Oden verbürgt.«
    Gadiors dünne Finger näherten sich dem Bild, als wolle er die Farbe ertasten, traue sich jedoch nicht, sie zu berühren. So schwebten die Krallen über den Abbildungen, vor allem über Lisannes Gestalt.
    »Ja, mit der Schönen hat sich Admiral Elljas besondere Mühe gegeben. Ihr werdet erkennen, wie dick die Farbe an dieser Stelle ist. Er hat sie immer wieder übermalt. Er soll dieses Zimmer drei Wochen nicht verlassen haben, während er an dem Bild gearbeitet hat. Ließ sich das Essen heraufbringen und die eine oder andere Schönheit mit begabtem Mundwerk. Nicht zum Reden, natürlich.« Sein Lachen ließ den Kerzenschein zittern.
    »Was wisst Ihr über den Verbleib der Schattenherzogin?«, fragte Bren.
    »Nicht mehr, als ich Euch erzählt habe. Dass sie nach Osten gefahren ist. Auf das Meer hinaus.« Seine starrenden Augen fanden Brens. »Mit einem Schiff.«
    »Schon gut. Wir brauchen die Mordkrake , so viel ist klar.«
    »Wie schön, dass wir uns verstehen. Dann können wir ja jetzt auf die Goldtruhe zurückkommen, von der wir schon sprachen.«

    Dass sich Gadior zu fein war, in einen Kerker zu steigen, überraschte Bren nicht. Der Graf hatte ihn allein ausgeschickt, ohne allerdings die beiläufige Anmerkung zu versäumen, er akzeptiere nichts anderes als einen vollen Erfolg bei dem Auftrag, die Mannschaft der Mordkrake für die Zusammenarbeit zu gewinnen. Bren konnte sich zwar angenehmere Dinge vorstellen, als hinter einem buckligen, ständig sabbernden Halbidioten in ein tropfendes Gewölbe

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