Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
gezielt rarmachte. »Für mich richtig interessant zu machen«, wie sie mir erzählt. Es funktionierte. Alle heiratsfähigen Frauen waren hinter dem Mann her, aber er wollte nur sie. »Und ich ihn auch. Was er aber nicht wusste. Leider. Ich war jung, eingebildet und übermütig. Und habe ihm gesagt, er muss erst eine Prüfung machen, für sicherzugehen.«
    Die Prüfung bestand aus mehreren Teilen, deren letzter ein Bekenntnis zu Belgien sein sollte, unverrückbarer als die schwammige Grenze. »Ich konnte doch keinen Deutschen heiraten«, sagt die Krewinklerin.
    Man schrieb das Jahr 1958. Die Bewohner Losheims sollten aus der belgischen Auftragsregierung entlassen und der Bundesrepublik Deutschland angegliedert werden. Wer Belgier sein beziehungsweise bleiben wollte, musste ins Königreich übersiedeln, was in vielen Fällen bedeutete, sich ein paar hundert Meter weiter westlich niederzulassen. Zu jener Zeit gab es einen regen Austausch von Ländereien.
    »Aus Liebe zu mir wollte er Belgier werden und den Teil seines Hofes verkaufen, der auf deutscher Seite lag«, sagt Frau Schröder stolz.
    Aber jetzt stellte der Mann eine Bedingung.
    »Was ja normal ist. Damit ihm die Frau später nicht auch noch auf der Nase rumtanzt«, verteidigt sie seine Aufforderung, nun habe sie sich ihrerseits einer Prüfung zu unterwerfen.
    »Er hat mir einen Brief geschrieben. Wenn ich wirklich seine Frau werden wollte, sollte ich dem Briefträger genau an dem Tag, bevor Losheim deutsch wird, mein Medalljong mit einem Bild und einer Locke von mir mitgeben. Keinen Tag später.«
    Die kleinen Augen der mindestens Siebzigjährigen füllen sich mit Tränen.
    An jenem Mittwoch nahm der Briefträger das liebevoll verpackte Päckchen in Krewinkel mit und fuhr mit dem Rad zur Kehr hinauf. Das Medaillon kam nie in Losheim an. Herr Backes zog daraus erst die Konsequenz und kurz danach tiefer in die Ardennen hinein, wo er seinen neuen Hof bewirtschaftete und vermutlich eine Frau ehelichte, die pünktlich ihren Pflichten nachkam.
    Fräulein Henkes heiratete aus Trotz den Herrn Schröder, den sie nicht liebte und der sie bis zu seinem Tod schlecht behandelte.
    »Und alles wegen einem Medalljong«, schluchzt sie.
    Wenn ich eines herbeizaubern könnte, würde ich es tun. Das wäre mir lieber, als wenn die belgische Polizei das schicksalsschwere Schmuckstück aus einer dieser Dachbodenkisten herausgräbt. Dann wäre kein Zweifel mehr möglich, und die Schuld meines Vaters oder seiner Frau stünde außer Frage.
    »Warum hat der Herr Backes nicht selbst bei Ihnen nachgefragt?«, will ich wissen. »Als der Briefträger verschwunden ist, hätte er sich doch denken können …«
    »Dass der Briefträger verschwunden ist, haben wir alle doch erst viel später erfahren. Vor allem, weil das gar nicht der normale Briefträger war, sondern eine Aushilfe. Der Perings-Jung aus Berterath, der Siegfried. Er hat mir hoch und heilig versprochen, das Paket Herrn Backes persönlich zu übergeben.« Sie wischt sich die Augen. »Ich habe mich nicht an die Abmachung gehalten. Nur das zählt. Mein Medalljong kam nicht pünktlich an.« Sie stößt einen tiefen Seufzer aus. »Er war eben doch sehr deutsch.« Und dann setzt sie flüsternd hinzu: »Deswegen werde ich den 28. August 1958 nie vergessen. Und nicht etwa, weil Losheim an dem Tag deutsch wurde, das können Sie mir glauben!«
    Wir sind bei der zweiten Tasse Kaffee. Hirn und Sinne sind wieder hellwach. Ich höre ein Auto in meinen Hof einfahren, stürze, von Linus gefolgt, hinaus und rufe Marcel atemlos zu: »Der Briefträger ist am 27. August 1958 ermordet worden!«
    »Ich weiß«, sagt Marcel leise, geht um den belgischen Polizeijeep herum, öffnet die Beifahrertür und hilft einem älteren Herrn mit beeindruckend weißem Schopf beim Aussteigen.
    »Mein Bruder war kein Briefträger«, sagt der Mann freundlich. »Er hat nur an diesem einen Tag Vertretung gemacht.«
    »Ich weiß.« Ich reiche ihm die Hand. »Es tut mir so leid, Herr Perings.«
    »Mir auch«, schaltet sich Petronella Schröder ein, die jetzt auch aus dem Haus kommt. »Jakob, Jung, boss du dat?«
    »Nellchen?«
    Während Herr Perings und Frau Schröder einander erst lange bemustern und dann zu einer Bewegung ansetzen, die ein Eifelfremder nie als die herzliche Begrüßung erkennen würde, die sie war, rücke ich Marcels Uniformjacke gerade und lasse mir gefallen, dass er mir die Haare hinter die Ohren streicht. Ich blicke zu Boden und warte auf seine Frage,

Weitere Kostenlose Bücher