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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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»Allerwerteswas?«
    »Ihren Hintern.«
    »Woher kennst du das Wort?«
    »Conrad sprach Deutsch.«
    Conrad war Ehemann Nummer zwei. Oder drei.
    »Ich könnte Hippo bitten, mal dort anzurufen«, sagte ich. »Der kommt aus dem Eck.«
    »Könnte funktionieren.« Distanziert, aber nicht mehr feindselig. Harrys Laune besserte sich.
    Für den Rest des Essens bemühte ich mich um Unbeschwertheit. Als der Kaffee kam, griff ich über den Tisch und fasste nach der Hand meiner Schwester.
    »Hippo hat mir heute sehr schlechte Nachrichten überbracht. «
    Harry schaute mich mit zwei besorgten Augen an.
    Ich schluckte. »Obéline ist möglicherweise tot.«
    Die Augen trübten sich. »Omeingott!« Geflüstert. »Wie? Wann?«
    Ich erzählte, was ich wusste. Um Fassung bemüht.

    Harry nahm den Löffel zur Hand und rührte den Kaffee um. Klopfte ihn auf dem Rand ab. Legte den Löffel auf den Tisch. Lehnte sich zurück. Biss sich nachdenklich auf die Unterlippe.
    Keine Tränen. Kein Ausbruch.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    Harry reagierte nicht.
    »Offensichtlich ist die Strömung dort sehr stark.«
    Harry nickte.
    Die Gefasstheit meiner Schwester war beunruhigend. Ich fing an zu reden. Sie wedelte mit der Hand, ich sollte still sein.
    Ich winkte nach der Rechnung.
    »Da ist etwas, das wir tun könnten«, sagte sie. »Zum Andenken an Évangéline und Obéline.«
    Harry wartete, bis der Kellner meine Tasse nachgefüllt hatte.
    »Kannst du dich noch an den Kerl erinnern, der an Universitäten und Fluglinien Briefbomben geschickt hat?«
    »Den Unabomber?«
    »Ja. Wie lief das ab?«
    »Vom Ende der Siebziger bis Anfang der Neunziger tötete Theodore Kaczynski drei und verwundete neunundzwanzig Personen. Der Unabomber war Ziel einer der teuersten Menschenjagden in der Geschichte des FBI. Was hat Kaczynski mit Obéline zu tun?«
    Ein manikürter Finger stach in die Luft. »Und wie haben sie ihn schließlich geschnappt?«
    »Sein Manifest: Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft. Kaczynski argumentierte, dass die Bomben nötig wären, um die Aufmerksamkeit auf seine Arbeit zu lenken. Er wollte andere dazu bringen, gegen die Unterdrückung zu kämpfen, die der technologische Fortschritt mit sich bringt.«
    »Ja, ja, ja. Aber womit haben sie den Widerling festgenagelt? «
    »Mitte der Neunziger verschickte Kaczynski wieder Briefe, einige an seine früheren Opfer, in denen er verlangte, dass sein
Manifest von einer großen Tageszeitung abgedruckt werde. Alle fünfunddreißigtausend Wörter. Wörtlich. Wenn nicht, dann drohte er, wieder zu töten. Nach langem Hin und Her empfahl das Justizministerium die Veröffentlichung. Sowohl die New York Times wie die Washington Post brachten das Ding, weil man hoffte, dass sich daraus irgendetwas ergeben werde.«
    »Und?« Harry drehte die Handfläche nach oben.
    »Kaczynskis Bruder erkannte den Stil und benachrichtigte die Behörden. Forensische Linguisten verglichen Textbeispiele, die Kaczynskis Bruder und seine Mutter ihnen geliefert hatten, mit dem Manifest des Unabombers und kamen zu dem Schluss, dass sie von ein und derselben Person verfasst worden waren.«
    »Da hast du’s.« Harry drehte auch die zweite Handfläche nach oben.
    »Was?« Ich kapierte nicht, worauf sie hinauswollte.
    »Genau das tun wir auch. Zum Andenken an Obéline. Und natürlich auch an Évangéline.Wir suchen uns einen Linguisten, der die Gedichte in Bones to Ashes mit denen vergleicht, die Évangéline als Kind geschrieben hatte. Dann machen wir aus Évangéline eine offizielle Dichterin.«
    »Ich weiß nicht, Harry.Vieles von ihren frühen Sachen war einfach nur jugendliche Lebensangst.«
    »Glaubst du etwa, dass der junge Kaczynski ein verdammter Shakespeare war?«
    Ich versuchte, nicht zweifelnd dreinzuschauen.
    »Du hast mit Obéline über den Mord an Évangéline gesprochen. Ich spreche kein Französisch, aber ich habe zugehört. Ich weiß, was ich in ihrer Stimme gehört habe. Schuldgefühle. Schreckliche, grässliche, die Eingeweide zerfressende Schuldgefühle. Das ganze Leben dieser Frau war ein einziges, gigantisches Schuldgefühl, weil sie verheimlichte, dass sie über den Mord an ihrer Schwester Bescheid wusste. Wäre es dann nicht in ihrem Sinne, wenn wir …?«

    »Ja, aber –«
    »Kennst du einen forensischen Linguisten?«
    »Ja, aber –«
    »So gut, dass du ihn bitten kannst, einen Vergleich zu machen? «
    »Glaub schon.«
    Harry ließ beide Hände auf den Tisch sinken und beugte sich auf den Unterarmen

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