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Knochenbrecher (German Edition)

Knochenbrecher (German Edition)

Titel: Knochenbrecher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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Ostermarsch. Und aus der Parallelklasse. Lange, blonde Haare, meist als Pferdeschwanz getragen. Sie hatte schon eine ganze Weile dazugehört, er hatte sich aber nie näher für sie interessiert. Doch auf einer der Partys bei Didi war er plötzlich in ihre Augen gefallen, war hineingetrudelt, ohne es zu wollen, ohne sich wehren zu können, war schlicht abgestürzt. Es gelang ihm, sie zum Sofa zu manövrieren und sie in ein Gespräch zu entführen, das kein bestimmtes Thema hatte und das auch keine Rolle spielte. Er hatte nur ihre Augen im Kopf, in die er immer noch stürzte, während sie lachte, erzählte, trank und wieder lachte. Sie tauschten Lebenspläne und Reiseträume, die sie weit in der Zukunft ansiedelten. Dann sprang sie plötzlich auf und zog ihn mit. A Whiter Shade of Pale . Besser hätte es nicht kommen können. Matthew Fishers Orgel führte seine Hände. Katja fühlte sich sonderbar vertraut an, als würde er ihren Körper bereits kennen. Er stürzte weiter. Auf dem Rückweg zum Sofa kam der jähe Aufschlag. Ohne Vorwarnung materialisierte sich im Zigarettennebel ein großes, unbekanntes, widerlich gut aussehendes, bärtiges Wesen, das ein paar Jahre älter als Greven war, und aus dem roten Partylicht heraus die Arme um Katja schlang, die sich sofort umdrehte und dem Zudringlichen mit einem Freudenschrei um den Hals und auf den Mund sprang. Ohne sich umzudrehen, verschwand sie mit dem offenbar sehnsüchtig Erwarteten aus dem Wohnzimmer und blieb die ganze Nacht verschwunden. Wahrscheinlich in einem der oberen Zimmer, die Grevens Fantasie von dieser Sekunde an belagerten, obwohl er versuchte, ihnen auf der Tanzfläche zu entkommen und sie mit Martini zu vertreiben. Erst gegen Mittag, gegen Ende der allgemeinen Reanimationsphase, standen die beiden, kaum bekleidet, plötzlich in der Küche und tranken Kaffee, als wäre nichts geschehen. Katja lächelte ihn sogar an, winkte zaghaft, doch dank der unerträglichen Kopfschmerzen war Greven damals nicht in der Lage gewesen, auf gleichem Niveau zu antworten.
    Dafür schlich nun ein Lächeln auf seinen Mund. Ein Standarderlebnis, dachte er, das fast jeder in seiner Erinnerung finden wird. Nichts Ungewöhnliches. Aber das hatte er damals nicht gewusst, und selbst wenn, hätte ihn das kaum getröstet. Kurze Zeit darauf hatte Katja die Schule verlassen und war irgendwohin zu ihrem Studenten gezogen. Greven hatte lange gebraucht, dieses Erlebnis zu verdauen, aber keine bleibenden Schäden zurückbehalten, abgesehen von einer bis in die Gegenwart reichenden Aversion gegen Martini.
    Den Gulfhof fand er nicht wieder, sein Gedächtnis hatte die Außenansicht nur halbherzig gespeichert. Auch der Störtebekerweg verweigerte sich lange und stellte sich dann als unbefestigter Feldweg heraus, den kein einziges Haus zierte, sondern lediglich ein marineblauer Bauwagen mit Blechdach, an dem Greven die gesuchte Hausnummer fand. Es war keiner von den kleinen Bauwagen, die gerade Platz für eine Handvoll Arbeiter boten, sondern einer von der Größe eines alten Schaustellerwagens. Er war gepflegt und sah frisch gestrichen aus, die Fenster wurden von Fensterläden gesäumt, neben der dreistufigen Treppe standen immergrüne Sträucher in großen Terrakottatöpfen. Neben dem Wagen stand ein betagter, offenbar von Hand lackierter VW-Bus, schon fast ein Oldtimer. Nach zweimaligem Klopfen öffnete ein schlanker Mann, Ende dreißig, mit nicht mehr vollem, aber schulterlangem, dunkelblondem Haar. Er war barfuß, trug eine indische Pluderhose, ein dazu passendes Hemd und eine Weste. Das schmale Lippenbärtchen verlieh ihm eine entfernte Ähnlichkeit mit Johnny Depp in Chocolat .
    »Nur ein Mann?«, stellte Frerichs enttäuscht fest, nachdem sich Greven vorgestellt hatte.
    »Und der geht auch gleich wieder, denn den gewünschten Personenschutz können wir Ihnen beim besten Willen nicht bieten, zumal wir keine akute Gefahr für Sie sehen«, erklärte Greven, noch auf der Treppe stehend.
    »Zwei Heilerinnen sind ermordet worden, dieser Cassens ist nur mit viel Glück davongekommen, und Sie sehen keine akute Gefahr?«
    »Können wir uns nicht erst einmal setzen?«
    Fast ein Drittel des Wagens nahm ein selbst gezimmertes Bett ein, auf dem eine Tagesdecke lag, die es zum Behelfssofa machte. Am anderen Ende befand sich die Küche, die Mitte war eine Art Universalzimmer. Eine Toilette oder Dusche konnte er nicht ausmachen.
    »Hinterm Wagen«, sagte Frerichs.
    »Wie bitte?«
    »Das Klo. Ich hab ein

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