Knochenbrecher (German Edition)
Klohäuschen hinterm Wagen.«
Greven setzte sich auf das Bett, über dem verschiedenfarbige Tücher einen Himmel bildeten. Frerichs nahm auf einem kleinen Hocker Platz und machte ein hilfloses Gesicht.
»Ich kann Ihnen nicht einmal einen Beamten als Bodyguard zur Verfügung stellen«, erklärte Greven. »Dazu ist die Bedrohung einfach zu vage und unsere Personaldecke viel zu dünn. Außerdem ist der dritte Vorfall höchstwahrscheinlich nur ein versuchter Einbruch, der mit den beiden Morden gar nichts zu tun hat. Eine Serie lässt sich daraus nicht ableiten.«
»Das liest sich in der Zeitung aber ganz anders«, konterte Frerichs sichtlich nervös. »Sie haben doch die Zeitung gelesen?«
»Ja, ich habe sie gelesen. Aber ich war auch bei Herrn Cassens. Glauben Sie mir, wenn wir eine Gefährdung sehen würden, stünden hier sogar zwei Uniformierte. Sie kennen doch die hiesigen Blätter. Die suchen genauso nach Sensationen wie die großen. Und sie übertreiben manchmal genauso wie die großen.«
Frerichs schwieg einige Sekunden und schien den negativen Bescheid schließlich zu akzeptieren.
»Haben Sie denn irgendwelche konkreten Hinweise auf eine Bedrohung?«, kam ihm Greven entgegen.
»Wie meinen Sie das? Ein Brief mit aufgeklebten Buchstaben oder so was in der Art? Nein, ich habe nur die Zeitung gelesen. Das hat mir gereicht.«
»Uns aber nicht. Ich rate Ihnen dennoch, die Augen offen zu halten. Die Bogenas haben ihrem Mörder selbst die Tür geöffnet. Sehen Sie sich also neue Klienten genau an. Oder solche, die sich ungewöhnlich verhalten. Sagen Sie, behandeln Sie Ihre … Patienten hier?«
»Nein, ich mache nur Hausbesuche. Wie sollte ich sonst das Karma eines Hilfesuchenden erfassen, das eng an seinen Lebensraum geknüpft ist?«, antwortete Frerichs.
»So gesehen, haben Sie natürlich recht.«
»Also nichts gegen gewisse Kollegen, aber allein schon aus diesem Grund liegen sie ja oft genug falsch. Trinken Sie einen Tee mit?«
»Warum nicht, vielen Dank.« Greven gefiel es in dem Bauwagen. Karma hin, Karma her, die indische Enklave auf Rädern hatte etwas, zumal der Wagen innen so gepflegt wie außen war. Ein kleiner Kanonenofen sorgte für eine angenehme Wärme an diesem kalten Tag. Eine Wärme, die sich von der allgemein üblichen Zentralheizungswärme auf eine Weise unterschied, die er nur schwer in Worte fassen konnte. In einer Nische hinter der Tür entdeckte er eine Sitar. Am liebsten hätte auch er seine Schuhe ausgezogen und die Füße in dem dicken, allem Anschein nach selbst geknüpften Teppich versenkt, der den ganzen Boden bedeckte. Während Frerichs einen Kessel auf den Kanonenofen stellte und Tee in eine Kanne gab, musterte Greven die beiden schmalen Regale am Fuß- und Kopfende des Bettes. Die Autoren der Bücher und auch die meisten Titel sagten ihm nichts, abgesehen von Begriffen wie »Mantras«, »Buddhismus« oder »Reinkarnation«. Hermann Hesses Siddharta und James Hiltons Verlorener Horizont gehörten zu den wenigen Ausnahmen. Die hatte er schon als Schüler gelesen. Auf der anderen Seite entdeckte er postkartengroße Bilder verschiedener Gottheiten oder ihrer Avatare. Aus einem kleinen, mit Sand gefüllten Tongefäß wuchs ein Igel aus abgebrannten Räucherstäbchen.
Als Frerichs in zwei Toncups den Tee brachte, taxierte Greven kurz seine Figur, brach den Versuch aber umgehend wieder ab, da er ebenso sinnlos war wie alle vorangegangenen. Der Tee war ungesüßt, aber nicht bitter, sondern mild und aromatisch. Greven schmeckte Ingwer und Zitronengras. Eine Weile saßen sie wortlos voreinander und pusteten über den heißen Tee, dann kehrte Greven ohne rechte Lust zu seiner Arbeit zurück.
»Herr Frerichs, haben Sie eigentlich auch mit Erdstrahlen zu tun?«
Der Wahlinder schmunzelte, nahm einen kleinen Schluck und antwortete abgeklärt: »Die Erde schießt keine Strahlen auf ihre Geschöpfe ab, nur die Taten bestimmen den Menschen und sein Schicksal, nicht messbare Kräfte. Ich weiß natürlich, auf was Sie anspielen, aber dieses mechanistische Denken lehne ich ab. Ich habe eine ganz andere Sichtweise auf das Wesen des Menschen, seine Seele und seine Gesundheit, eine ganzheitliche, aber das würde wahrscheinlich zu weit führen, Ihnen das jetzt zu erklären.«
»Wahrscheinlich«, stimmte ihm Greven zu. Die nächste Frage lag ihm schon auf den Lippen, nämlich die nach dem Alibi. Doch dann beschloss er, erst eine weitere Tasse Tee zu trinken.
»Können Sie eigentlich Sitar
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