Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
Vom Netzwerk:
bezeichnet werden, mir jedoch hatte es Qualen der Demütigung und Scham bereitet. Und es war mir – obwohl ich es versuchte, bis ich das unterdrückteste Kind in Newmarket war – nicht möglich gewesen, alles zu vermeiden, was mein Vater als Fehler interpretieren konnte.
    Dann hatte er mich ins Internat von Eton geschickt, was sich auf seine Weise als genauso herzlos erwies, und an meinem sechzehnten Geburtstag lief ich davon.
    Ich wußte, daß er mir nie verziehen hatte. Eine Tante hinterbrachte mir seinen zornigen Kommentar: daß er mich mit Pferden zum Reiten ausgestattet und mich Gehorsam gelehrt habe. Was könne ein Vater mehr für seinen Sohn tun?
    Er hatte nicht den Versuch gemacht, mich zurückzuholen, und in all den Jahren meines geschäftlichen Erfolgs hatten wir nicht ein einziges Mal miteinander gesprochen. Nach einer Trennung von vierzehn Jahren war ich eines Tages zu den Ascot-Rennen gegangen, da ich wußte, daß er dort sein würde, und endlich Frieden schließen wollte.
    Als ich sagte: »Mr. Griffon …«, drehte er sich in einer Gruppe von Menschen zu mir um, hob die Augenbrauen und sah mich fragend an. Seine Augen waren kühl und ausdruckslos. Er hatte mich nicht erkannt.
    Mit mehr Belustigung als Verlegenheit hatte ich erwidert: »Ich bin dein Sohn … Neil.«
    Außer Überraschung zeigte er kein wie auch immer geartetes Gefühl, und mit der stillschweigenden Voraussetzung, daß keiner von uns beiden etwas Derartiges wünschte, machte er den Vorschlag, daß ich, wann immer ich nach Newmarket kam, bei ihm hereinschauen solle.
    Das hatte ich seither drei- oder viermal jährlich getan, manchmal auf einen Drink, manchmal zum Mittagessen, aber niemals, um zu bleiben. Mit dreißig war es mir möglich, ihn von einem viel vernünftigeren Standpunkt zu betrachten, als ich das mit fünfzehn getan hatte. Sein Verhalten mir gegenüber war immer noch größtenteils unfreundlich, kritisch und strafend, aber da ich nicht mehr von seiner Anerkennung abhängig war und er mich nicht mehr in mein Zimmer sperren konnte, wenn ich anderer Meinung war als er, fand ich eine Art perverses Vergnügen an seiner Gesellschaft.
    Als man mich nach dem Unfall in aller Eile nach Rowley Lodge rief, hätte ich nicht geglaubt, daß ich wieder in meinem alten Zimmer schlafen würde, sondern daß ich mir irgendein anderes aussuchen würde. Aber am Ende schlief ich dann doch darin, weil dieses Zimmer für mich zurechtgemacht worden war und weil in allen anderen immer noch Schonbezüge über den Möbeln lagen.
    Als ich die unveränderten Möbelstücke und die fünfzigmal gelesenen Bücher auf dem kleinen Bücherregal betrachtete, kamen zu viele Erinnerungen wieder in mir hoch; und ich konnte mich so zynisch belächeln, wie ich nur wollte, in jener ersten Nacht zu Hause war es mir nicht möglich, bei geschlossener Tür im Dunkel meines Zimmers zu liegen.
     
    Ich setzte mich in den Sessel und las die Times , die auf seinem Bett lag. Seine Hand, gelblich, fleckig und von dicken, knotigen Venen durchzogen, lag schlaff auf den Laken, immer noch halb um die schwarze Brille gekrümmt, die er vor dem Einschlafen abgesetzt hatte. Ich erinnerte mich, daß ich mir mit siebzehn angewöhnt hatte, solche Brillengestelle zu tragen, mit Fensterglas darin, und zwar deshalb, weil sie in meinen Augen für Autorität standen und weil ich meinen Klienten eine ältere und gewichtigere Persönlichkeit hatte präsentieren wollen. Ob es den Brillen zu verdanken war oder nicht, das Geschäft hatte floriert.
    Er bewegte sich und stöhnte, und die schlaffe Hand ballte sich krampfhaft zur Faust, so fest, daß sie um ein Haar die Gläser zerbrochen hätte.
    Ich stand auf. Sein Gesicht verzog sich vor Schmerz, und Schweißperlen traten ihm auf die Stirn; er spürte, daß jemand im Zimmer war, und riß die Augen auf, als wäre er ganz gesund.
    »Ach … du bist es.«
    »Ich hole eine Krankenschwester«, sagte ich.
    »Nein. Geht gleich besser … Eine Minute.«
    Aber ich holte trotzdem eine Schwester, und sie warf einen Blick auf die verkehrt herum an ihrem Busen steckende Uhr und bemerkte, daß es Zeit für seine Tabletten war, beinahe jedenfalls.
    Nachdem er die Pillen geschluckt hatte und das Schlimmste vorüber war, bemerkte ich, daß es ihm in der kurzen Zeit meiner Abwesenheit gelungen war, seine unteren Zähne wieder einzusetzen. Das Wasserglas stand leer auf dem Nachttisch. Immer auf seine Würde bedacht, mein Vater.
    »Hast du jemanden gefunden, der die

Weitere Kostenlose Bücher