Knochenhaus (German Edition)
dem Loch unter der neuen Türschwelle beigesetzt. Als Opfer an Janus, wissen Sie? Damit unsere Mauern wieder sicher werden. Den Schädel habe ich in den Brunnen geworfen. Das schien mir passend.» Er lächelt zufrieden.
«Aber was habe ich denn mit alldem zu tun?», fragt Ruth. Selbst wenn sie es irgendwie schaffen sollte, sich zu befreien, wie soll sie dann an Sir Roderick vorbeikommen? Er ist zwar alt, wirkt aber doch recht kräftig. Und er hat ein Messer.
«Dieser Polizist, Nelson, ist der Wahrheit viel zu nahegekommen. Ich habe meinem Sohn erzählt, ich hätte Alzheimer, und er war nur allzu bereit zu glauben, dass ich geistig langsam abbaue. Das passt genau zu dem, was er und seine schwachsinnige Frau ohnehin schon von mir denken. Jedenfalls spricht er seither sehr offen vor mir, weil er glaubt, dass ich nichts mehr verstehe. Ich habe ihn dazu gebracht, mich mit auf das Baugrundstück zu nehmen. Als ich Sie dort graben sah, wusste ich, Sie würden die Wahrheit finden. Und als ich später auf dem Polizeirevier war, habe ich Ihr Telefonat belauscht. DCI Nelson war so aufgeregt, dass er einfach losgerannt ist, ohne sein Handy einzustecken. Höchst fahrlässig.» Wieder dieses Kichern. «Ich habe Ihre Nachricht gelesen, da wusste ich Bescheid. Sie erwarten ein Kind von ihm. Und wenn er die ganze Ermittlung nicht sofort abbricht, werde ich seine Tochter töten. Das ist schließlich nur gerecht.»
Ruth kann nicht mehr an sich halten. «Das ist überhaupt nicht gerecht!», platzt sie heraus.
Roderick beachtet sie kaum, sondern spricht ganz selbstzufrieden weiter. «Ich hatte Sie auch schon an der römischen Ausgrabungsstätte gesehen. Dort war ich mit der Seniorengruppe der Konservativen. Sie hatten sogar einen Bus gechartert. Alles ganz kultiviert. Und als ich Sie dann beim alten Haus wiedersah, habe ich eins und eins zusammengezählt. Ich dachte, ich kann Sie vertreiben, wenn ich Ihnen Angst mache. Deshalb habe ich Ihren Namen mit dem Blut eines Hahnes an die Mauer geschrieben. Ein mächtiger Zauber. Mir war klar, dass der Archäologe aus Sussex die Inschrift finden und Ihnen davon erzählen würde. Der tote Säugling war ein hübsches zusätzliches Detail. Ich wusste ja, dass Sie an dem Tag dorthin kommen würden, weil Sie am Abend zuvor mit ihm ausgegangen waren.»
«Sie sind ja wirklich gut informiert», bringt Ruth mit trockenen Lippen hervor.
«Meine Enkelin hilft bei der Ausgrabung», erwidert Sir Roderick leichthin. «Sie erzählt mir alles, was vor sich geht.»
«Ihre Enkelin?»
«Ein recht burschikoses Mädchen, aber äußerst nützlich. Als Nelson dann diesen DNA-Test machen wollte, war mir natürlich klar, dass er eine Verbindung zwischen mir und dem Skelett ziehen würde. Da musste ich handeln. Ich wusste, Sie würden irgendwann zur Ausgrabungsstätte kommen, um sich diesen Stein anzusehen. Seit heute früh habe ich dort auf Sie gewartet. Ich war mir sicher, dass Sie kommen würden. Dann waren Sie so nett, mir etwas aus dem Wagen zu holen. Als Sie sich vorgebeugt haben, habe ich Sie mit der Stablampe niedergeschlagen. Ein nützliches Werkzeug für solche Zwecke. Und dann bin ich mit Ihnen hierher zum Boot gefahren.»
«Wie haben Sie mich denn an Bord geschafft?» Ruth muss an die fröhlich grillenden Familien am Jachthafen denken. Ein Mann, der eine leblose Frau auf ein Boot trägt, muss doch irgendwem aufgefallen sein. Und wie hat Sir Roderick es überhaupt geschafft, sie zu tragen?
«Ich habe Sie in einen Teppich gewickelt. Wie Kleopatra.» Ein weiteres Kichern. «Ich habe mein Auto an der Werft abgestellt, und einer der Männer dort hat mir freundlicherweise beim Tragen geholfen. Er meinte noch, das sei aber ein schwerer Teppich.»
«Und wo wollen Sie jetzt mit mir hin?»
«In ein Haus, wo ich die nötigen Gerätschaften für ein Opferritual habe und alles, was sonst noch dazugehört.» Fast klingt er wie irgendein älterer Exzentriker, der von seinem Hobby erzählt – wäre da nicht das Messer in seiner Hand und das wahnsinnige Glitzern in seinen Augen.
«Außerdem wird Sie dort niemand suchen», fährt er fort. «Und Nelson wird begreifen, dass er seinen Meister gefunden hat.»
«Haben Sie es ihm denn gesagt?» Wenn Nelson Bescheid weiß, ist er sicher schon unterwegs. Er wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie zu retten, da ist sie sich sicher. Oh, wenn er bloß Nelson benachrichtigt hat!
«Ich habe ihm eine SMS geschickt. Eine recht primitive Kommunikationsform, doch sie
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