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Knochenhaus (German Edition)

Knochenhaus (German Edition)

Titel: Knochenhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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die Lady Annabelle in jener Nacht Anfang Juni stürmten, fanden sie Ruth zusammengekauert an Deck, die Pistole noch in der Hand. «Ich habe ihn umgebracht», sagte sie ein ums andere Mal. «Ich habe ihn umgebracht.» Wäre Nelson da gewesen, er hätte sie ermahnt, solche Gedanken mal lieber für sich zu behalten. Doch Nelson saß zu dem Zeitpunkt in eine aluminiumbeschichtete Rettungsdecke gehüllt im Krankenwagen und delirierte von seinen Töchtern. Die angeforderte Verstärkung, zwei Streifenwagen der Polizei und ein Krankenwagen, traf ungefähr zur selben Zeit ein, als Max Sir Rodericks Leiche aus dem Wasser zog. Die Lady Annabelle trieb unterdessen ganz gemächlich ans Flussufer, und die Polizisten von der örtlichen Dienststelle gelangten ohne Probleme an Bord, nachdem sie ihre Wagen mitten im Schilf abgestellt hatten, wo die Scheinwerfer unheilvoll durch die Nebelschwaden schimmerten.
    Ruth war überzeugt, Sir Roderick Spens getötet zu haben. Schließlich hatte sie doch abgedrückt und ihn mit hilflos rudernden Armen durch das hölzerne Geländer hindurch über Bord fallen sehen. Doch die Obduktion, die der unerhört gut gelaunte Chris Stevenson wenig später durchführte, ergab, dass Sir Roderick keine Schussverletzungen am Körper hatte. Todesursache war eine Kopfverletzung, die er sich wohl beim Sturz zugezogen haben musste. Die Kugel fand sich später in einer der Sitzbänke der Lady Annabelle . Ruth war erleichtert, auch wenn das Ergebnis nichts an ihrer inneren Überzeugung geändert hat, den Tod des alten Mannes verursacht zu haben. Sie hatte ihn töten wollen. Und ist eine Tötungsabsicht im Grunde nicht dasselbe wie ein Mord?
    Auch das könnte Nelson mit Pater Patrick Hennessey besprechen. Während er sich in den Verkehrsstrom auf der Dartford Bridge einfädelt, ist er sich völlig im Klaren darüber, dass sein Besuch nicht nur ermittlungstechnische Gründe hat. Der Fall an der Woolmarket Street ist abgeschlossen. Whitcliffe ist zwar nicht unbedingt glücklich damit, aber doch immerhin zufrieden, dass nichts an die Presse gedrungen ist (obwohl die Lokalzeitungen natürlich berichtet haben, dass Sir Roderick Spens bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen sei). Edward Spens kann sein Bauvorhaben fortsetzen. «Das Leben muss schließlich weitergehen», hat er in salbungsvollem Ton zu Nelson gesagt, als könnte dieser das eventuell in Zweifel ziehen. Er hat beschlossen, seinen Wohnblock «Haus Bernadette» zu nennen.
    Doch Nelson ist tief im Inneren überzeugt, dass es noch längst nicht vorbei ist. Sie wissen zwar, wer Bernadette getötet hat, und bald werden sie auch wissen, was mit Elizabeth Black geschehen ist – die Spurensicherung hat ihr Skelett aus dem Garten der Schule geborgen, und Pater Hennessey wird wohl bald eine weitere Totenmesse abhalten müssen. Doch die Gefühle, die der Tod all dieser kleinen Mädchen, einschließlich Annabelle Spens, auslöst, lassen sich nicht so leicht begraben. Väter und Töchter – diese Formulierung geht Nelson einfach nicht aus dem Kopf. Bald wird er drei Töchter haben. Das ist der Gedanke, der ihn neuerdings nachts wach hält, und dieser Gedanke treibt ihn jetzt dazu, über die Autobahn zum Alterssitz eines katholischen Priesters im Ruhestand zu brausen.
    Will er beichten? Er hat es sich selbst nicht eingestanden, doch als er Pater Hennessey begrüßt und der ältere Mann ihm einen Spaziergang durch den abgelegeneren Teil des Parks vorschlägt, weiß Nelson, dass er genau deshalb hier ist. Einmal Katholik … Er lächelt grimmig in sich hinein. Pater Damian wäre mit Sicherheit stolz auf ihn.
    Anfangs reden sie nur über den Fall an der Woolmarket Street.
    «Können Sie sich vorstellen, weshalb Sir Roderick Spens so etwas Schreckliches getan hat?», fragt Pater Hennessey.
    «Edward Spens hat seine Tagebücher gefunden.» Nelson folgt dem Priester über den von Lavendel und Zitronenmelisse überwucherten Pfad. «Er hat seit frühester Kindheit Tagebuch geführt. Da steht alles drin, der Mord, sämtliche Details. So was Gruseliges habe ich im Leben noch nicht gelesen. Eine Mischung aus Adrian Mole und Jack the Ripper.»
    «Er muss eine zutiefst gequälte Seele gewesen sein.»
    «Gequält? Na ja.» Nelson stößt ein freudloses Lachen aus. «Aber irgendwie hat er es geschafft, durchs ganze Leben zu kommen, ohne dass irgendwer was gemerkt hat. Ich meine, Edward Spens hat natürlich immer gewusst, dass sein Vater seltsam ist. Deshalb hat er ihn ja zu sich

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