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Knochenhaus (German Edition)

Knochenhaus (German Edition)

Titel: Knochenhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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Archäologe ist sie sehr pingelig mit ihren Gräben. Unaufgefordert in einen fremden Graben zu steigen, das ist in etwa so, als würde man ohne Einladung ein fremdes Haus betreten.
    «Halt!», sagt sie energisch.
    Der Mann sieht sie fragend an.
    «Sie können nicht in den Graben kommen.» Ruth gibt sich alle Mühe, ihren Ton höflich zu halten. «Das würde ihn verunreinigen.»
    Der Mann richtet sich wieder auf. «Wir kennen uns noch nicht», sagt er, als würde es die Lage vollkommen verändern, wenn man sich mit Namen kennt. «Ich bin Edward Spens.»
    Na klar. Der stadtbekannte Edward Spens ist zweifellos der Ansicht, dass ihm Ruths Graben ebenso gehört wie der Rest des Grundstücks.
    «Ruth Galloway.» Sie ringt sich ein Lächeln ab und fühlt sich im Nachteil, weil sie so weit unter ihm steht.
    «Und das sind also die verhängnisvollen Knochen.»
    Verhängnisvoll, wiederholt Ruth im Stillen. Eine seltsame Art, den Fund zu beschreiben, aber irgendwie auch ganz passend. Sie spürt den intelligenten Blick, mit dem Spens sie mustert. Sie muss auf der Hut sein, damit sie nicht zu viel verrät.
    «Ja, das ist das Skelett.»
    «Haben Sie irgendeine Vorstellung, wie alt es ist?»
    «Bisher noch nicht. Vielleicht gibt uns der Aushub ja ein paar Hinweise.»
    «Der Aushub?»
    «Die Bodenproben aus dem Grab», erläutert Ruth und denkt sich, was für ein gefühlsgeladenes Wort sie da gewählt hat. Doch genau das haben sie hier vor sich: ein Grab, in dem eine Leiche bestattet wurde. «Vielleicht finden wir Steine oder Scherben darin», fährt sie fort. «Ich glaube, ich habe schon eine Flaschenscherbe gesichtet. Solche Funde lassen sich zeitlich gut einordnen. Außerdem werden wir eine Radiokarbondatierung durchführen, was allerdings nicht viel bringt, falls wir es mit einem neueren Skelett zu tun haben.»
    «Was ist denn eine Radiokarbondatierung?» Edward Spens lächelt charmant auf sie herab.
    «Sie bestimmt, wie viel von dem Kohlenstoff-Isotop C-14 noch in den Knochen enthalten ist. Solange wir leben, nehmen wir C-14 auf, aber sobald wir tot sind, hören wir damit auf. Indem man bestimmt, seit wann die Knochen kein C-14 mehr aufgenommen haben, kann man schätzen, wie alt das Skelett tatsächlich ist.»
    «Faszinierend. Und wie genau ist diese Methode?»
    «Die Abweichung beträgt etwa fünf Prozent.» Ruth wird ein wenig zugänglicher. «Natürlich wird die C-14-Aufnahme auch noch durch andere Faktoren beeinflusst, aber wir können eine Genauigkeit von plus/minus hundert Jahren erreichen.»
    «Hundert Jahre! Das ist aber nicht sehr genau.»
    «Es gibt auch noch andere Hinweise», erwidert Ruth gereizt. «Neuere Knochen enthalten beispielsweise noch Blutpigmente oder Aminosäuren. In jedem Fall werden wir Klarheit darüber erhalten, ob die Knochen aus dem Mittelalter stammen oder aus vergleichsweise jüngerer Zeit.»
    Der ältere Mann, der sich während des Gesprächs mit sichtlichem Vergnügen umgesehen hat, meldet sich nun zu Wort. «Wussten Sie, dass hier früher eine Kirche war?»
    «Mein Vater, Sir Roderick Spens», stellt Edward ihn vor. «Er interessiert sich sehr für Geschichte.» Er sagt das mit einem resignierten Unterton, als gehörte es nicht gerade zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen, seinen alten Vater zu archäologisch interessanten Stätten zu chauffieren.
    Roderick Spens lüftet elegant den Hut. «Freut mich sehr, Sie kennenzulernen.»
    Ruth lächelt ihn an. Sir Rodericks Interesse ist ihr deutlich lieber als die kaum verhohlene Ungeduld seines Sohnes.
    «Es heißt, früher hätte hier eine Kirche gestanden», fährt Roderick Spens fort. «Vermutlich wurde sie bei der allgemeinen Schleifung der Klöster zerstört. Zerschmetterte Grabsteine, zerbrochene Buntglasscheiben, eingeschmolzenes Gold und Silber.»
    Ruth muss an den Arbeiter denken, der die Scheiben des Gewächshauses eingeschlagen hat, und an die plötzliche Trauer, die sie angesichts der bunten Glasscherben verspürt hat, Trauer um etwas einst Wertvolles, das nun zerstört wird. «Gestern haben wir einen Messkelch gefunden», erzählt sie. «Vermutlich etwa aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Sehr schön gearbeitet.»
    Sir Rodericks Augen leuchten auf. «Ach, den würde ich aber gern einmal sehen.»
    «Er wurde bereits in die Universität gebracht», sagt Ruth, «aber ich kann sicher veranlassen …»
    «Bitte, Dad», wirft Edward warnend ein. «Wir wollen Miss Galloway doch keine unnötige Mühe machen.»
    «Doktor Galloway»,

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