Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochenhaus (German Edition)

Knochenhaus (German Edition)

Titel: Knochenhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
Vom Netzwerk:
einem fünfjährigen Kind. Einem Mädchen.» Im Autopsiebericht steht zwar nur «unter sechs», doch er will Hennessey so weit erschüttern, dass er etwas Unbedachtes äußert.
    Und Pater Hennessey sieht tatsächlich erschüttert aus. Er bewegt tonlos die Lippen, als würde er beten. Dann fragt er: «Ist es Elizabeth?»
    «Das können wir nicht sagen», antwortet Nelson. «Noch nicht.» Er sieht keinen Anlass zu ergänzen, dass sie es wahrscheinlich nie genau wissen werden, weil sie keine DNA von Elizabeth haben. Soll Hennessey ruhig glauben, dass er, Nelson, der furchtlose Forscher auf der Suche nach der Wahrheit, Schrecken aller Übeltäter, es noch herausfinden wird.
    «Aber wie soll der Schädel denn in den Brunnen gekommen sein?», fragt Hennessey, immer noch erschüttert. Er trinkt einen Schluck Wasser und wirkt mit einem Mal wie ein alter Mann.
    «Das würde ich gern von Ihnen hören.»
    «Ich habe nicht die geringste Ahnung.» Die Stimme klingt wieder fester. Hennessey reißt sich am Riemen.
    Es bleibt so lange still im Raum, bis Clough fragt: «Sind Sie mit Martin und Elizabeth gut ausgekommen?» Themenwechsel, anderer Ton – eine altbewährte Verhörtaktik.
    Doch Hennessey lässt sich nicht ins Bockshorn jagen. Er sieht Clough direkt an. «Ja. Sie waren reizende Kinder, sehr klug, sehr liebenswert. Aber durch den Tod ihrer Mutter hatten sie traumatische Erlebnisse hinter sich und waren … angeschlagen.»
    «Angeschlagen?», fragt Nelson scharf. «Wie meinen Sie das?»
    «Solche Erfahrungen lassen Narben zurück, Detective Chief Inspector. Martin war voller Zorn: auf seine Mutter, weil sie ihn verlassen hat, auf die ganze Welt, die das zulassen konnte. Mit Elizabeth war es leichter. Sie war einfach sehr traurig und verunsichert. Sie hat sich an Martin geklammert, wollte um nichts in der Welt ihr Stofftier aus der Hand geben – wie das eben so ist. Doch beide waren dabei, allmählich darüber hinwegzukommen. Martin war außergewöhnlich intelligent. Ich habe ihn unterstützt, ihm Bücher zu lesen gegeben.»
    «Was denn für Bücher?»
    «Alles Mögliche. Er interessierte sich brennend für Naturwissenschaft und Geschichte. Ich gab ihm Bücher über die alten Griechen, die alten Römer. Er war fasziniert von dem Gedanken, dass das Haus womöglich auf einem altrömischen Grundstück steht.»
    Nelson fällt ein, dass Ruth römische Tonscherben erwähnt hat, die auf dem Grundstück gefunden wurden. Der Priester hat also davon gewusst, schon damals.
    «Dann war Ihr Verhältnis zu den Kindern also recht eng?»
    Erneut sieht der Pater ihm direkt, fast trotzig in die Augen. «Ja.»
    «Und Ihre Mitarbeiter?»
    «Alle liebten Elizabeth. Sie konnte sehr viel Liebe in anderen erwecken. Martin war … Martin war schwieriger.»
    «Wir haben mit Schwester Immaculata geredet …»
    «Ach ja?» Hennessey beugt sich eifrig vor. «Wie geht es ihr denn?»
    «Den Umständen entsprechend gut», antwortet Nelson kühl. Dann setzt er hinzu: «Geistig ist sie noch voll da.»
    Hennessey nickt. «Da bin ich froh. Sie hatte kein leichtes Leben, die Arme.»
    Nelson geht nicht darauf ein. «Sie sagt, Martin hätte immer viel Ärger gemacht.»
    «Wie gesagt, er war sehr zornig.»
    «Hatte er unkontrollierbare Wutanfälle?», erkundigt sich Clough verständnisvoll.
    Jetzt sieht Pater Hennessey zum ersten Mal seinerseits zornig drein. «Nein, er hatte keine ‹unkontrollierbaren Wutanfälle›.» Sein Ton setzt die Worte in ärgerliche Anführungszeichen. «Und er hat auch nicht in einem Anfall teuflischen Zorns seine Schwester getötet, wie Sie vermutlich andeuten wollen. Er hat sie sehr geliebt. Die beiden standen einander auffällig nahe.»
    «Unnatürlich nahe?»
    «Nein, ganz natürlich. Sie waren Geschwister und hatten sonst niemanden mehr auf der Welt. Da ist es doch wohl selbstverständlich, dass sie sich einander zuwenden.»
    «Für mich ist gar nichts selbstverständlich», sagt Nelson. «Sie haben die beiden gekannt, ich kannte sie nicht. Ich will einfach nur herausfinden, wer ein kleines Mädchen umgebracht und seinen Kopf in einen Brunnen geworfen hat. So eine Tat ist nämlich wirklich unnatürlich.»
    Pater Hennessey sieht ihn an. «Mag sein», sagt er so leise, wie er kann, «aber vor allem ist sie böse.»

    Auf der Rückfahrt hört man im Wagen nur Cloughs Kaugeräusche, der einen Beutel Erdnussflips verputzt. Nelson ist sich darüber im Klaren, dass sie kaum weitergekommen sind. Die Entdeckung des Schädels hat

Weitere Kostenlose Bücher