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Knochenhaus (German Edition)

Knochenhaus (German Edition)

Titel: Knochenhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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gestrichen und hat ein gestreiftes Sonnensegel.
    «Ist das deins?»
    «Willkommen an Bord der Lady Annabelle .»
    «Wohnst du etwa hier?»
    «Genau.» Max springt leichtfüßig an Bord und streckt Ruth die Hand entgegen. «Es ist großartig. Im Prinzip kann ich jeden Tag woanders anlegen, aber meistens lasse ich sie doch hier. Es ist zwar eine ganz schön lange Fahrt von Swaffham aus, aber das ist es mir wert. Irgendwie hat es etwas Magisches, nachts unter den Sternen zu schlafen und dem Fluss zu lauschen.»
    An Deck ist ein kleiner Tisch für zwei gedeckt, mit Kerzen und Wein in einem silbernen Weinkühler. Ruth sieht sich um. Obwohl sie nicht weit vom Hafen sind, hört man hier kaum einen Laut, nur die Wellen, die an den Bootsrumpf schwappen. Schwalben schwirren über das Wasser, am anderen Ufer stehen Kühe fast bis zum Bauch im feuchten Gras.
    Max mustert sie merklich beklommen. «Ist das in Ordnung? Ich fand es einfach viel schöner, als ins Restaurant zu gehen. Außerdem habe ich nicht oft Gelegenheit, jemanden zu bekochen.»
    «Es ist perfekt», sagt Ruth. Jetzt, wo das erste Erstaunen langsam nachlässt, spürt sie, wie sie sich zum ersten Mal an diesem Tag entspannt und sich von der Schönheit des Abends gefangen nehmen lässt. Max schenkt zwei Gläser Weißwein ein (Ruth will nicht ablehnen) und bietet ihr eine Bootsführung an. «Sie ist ja nicht besonders groß, es wird also nicht lange dauern.»
    «Gehört es … gehört sie dir?»
    «Nein, einem Freund von mir, der hier ganz in der Nähe wohnt. Als er hörte, dass ich den Sommer über in Norfolk bin, hat er mir das Boot als Unterkunft angeboten. Früher gehörte es einem Bootsverleih, hier in der Gegend bezeichnet man das Modell als ‹Badewanne›. Man kommt damit sehr gut unter niedrigen Brücken durch.»
    Das Boot ist tatsächlich recht klein, doch Ruth ist fasziniert, wie viel es von Max und seinem Leben an Bord offenbart. Unter Deck steht ein Herd, auf dem es in einem Topf köchelt und köstlich duftet; von der Decke hängen Knoblauchzehen und verschiedene Kräuter herab. Gegenüber befinden sich eine Bank und ein niedriger Tisch. Am spitz zulaufenden Ende (dem Bug?) steht ein Bett, auf dem sich die Kissen stapeln. Ruth registriert einen vermutlich sehr trockenen römischen Klassiker auf dem Nachttisch und, was sie sehr viel mehr erstaunt, einen Stoffhund, der auf dem Kopfkissen sitzt. Vielleicht ist Max ja doch nicht ganz so selbstsicher und erwachsen, wie er immer wirkt. Über dem Bett gehen zwei Bullaugen vermutlich auf den vorderen Teil des Bootes hinaus. Außerdem gibt es noch eine Duschkabine und eine winzige Toilette, die Ruth, so unangenehm es ihr auch ist, gleich aufsuchen muss.
    Dann setzen sie sich an Deck, trinken Wein – Ruth nippt nur an ihrem Glas – und plaudern über Max’ Ausgrabungsprojekt.
    «Ich glaube, es könnte bedeutsam sein. Ein hochinteressantes Areal, verschiedene Gebäude rund um einen Tempel. Es könnte sich um einen Vicus handeln.»
    «Einen Vicus?» Ruth hat das unbestimmte Gefühl, dass sie das Wort kennen sollte.
    «Eine kleinere Siedlung, meist in der Nähe eines Militärlagers. Im Grunde eine Art Garnisonsstadt.»
    «Habt ihr denn noch weitere Skelette gefunden?», will Ruth wissen.
    «Nein. Aber viele Tonscherben, ein paar Münzen und andere Metallteile, Spielsteine vermutlich. Und einen gravierten Siegelring.»
    «Apropos.» Ruth erzählt ihm von dem Ring, der auf dem Baugrundstück in Norwich gefunden wurde. Max schweigt einen Moment lang und gießt sich Wein nach. «Klingt schon nach Hekate. Sind es menschliche Köpfe?»
    «Ich glaube schon.»
    «Manchmal wird Hekate nämlich auch mit drei Tierköpfen dargestellt: einer Schlange, einem Pferd und einem Wildschwein.»
    «Für mich sieht es nach Menschenköpfen aus.»
    «Gibt es noch weitere Anzeichen für eine römische Besiedelung auf dem Grundstück?»
    «Bisher nicht, aber wir haben Tonscherben gefunden. Glanztonware.»
    «Tatsächlich?» Jetzt wirkt Max ernsthaft interessiert.
    «Komm doch mal vorbei und sieh es dir an.»
    «Das mache ich bestimmt.» Damit verschwindet er unter Deck, um nach dem Essen zu sehen, das vorzüglich schmeckt, als er es auftischt: Hähnchen in Rotweinsauce, dazu Safranreis und ein grüner Salat.
    «Du kannst ja richtig gut kochen», bemerkt Ruth lächelnd.
    «Ich koche gern, aber … wenn man allein lebt …» Die kurze Stille, die folgt, ist seltsam aufgeladen.
    «Lebst du schon immer allein?», fragt Ruth in dem

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