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Knochenhaus (German Edition)

Knochenhaus (German Edition)

Titel: Knochenhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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Gespräch. Ruth will gerade vorschlagen, doch noch woandershin zu gehen, als sie Nelson entdeckt, der mit gerunzelter Stirn durch den Bauschutt auf sie zukommt. Den hatte sie völlig vergessen.
    «Folgt der dir eigentlich überallhin?», brummt Max.
    Und auch Nelson wirkt nicht sonderlich erfreut, Ruth in Begleitung anzutreffen. «Lange nicht gesehen», sagt er ironisch zu Max.
    Ruth hält das nicht mehr aus. «Kommt», sagt sie. «Lasst uns von hier verschwinden.»
    Wie in stummer Übereinkunft bleiben sie alle vor dem steinernen Torbogen stehen, der immer noch aufragt, obwohl der Rest der Fassade bereits verschwunden ist. Türmchen, Rundbögen, Zinnen – alles dem Erdboden gleichgemacht.
    «Bleibt der Bogen?», fragt Max.
    «Ja», sagt Ruth. «Angeblich wirkt er feudal.»
    Sie bleiben noch einen Moment stehen und betrachten die Inschrift, die in den Stein gemeißelt ist, und Ruth sieht eine weitere Gestalt näher kommen. Einen Mann in klerikalem Schwarz. Langsam balanciert er über die Planken, die den aufgewühlten Boden bedecken. Pater Hennessey. Der Polier, denkt Ruth, kriegt wahrscheinlich demnächst einen Anfall.
    Pater Hennessey nähert sich, und plötzlich malt sich so viel Erstaunen und Freude auf sein Gesicht, dass Ruth es kaum fassen kann. Freut er sich etwa so, sie zu sehen? Oder schaut er eigentlich Nelson an?
    Doch der Priester scheint weder sie noch Nelson zu sehen. In seinen blauen Augen stehen Tränen.
    «Martin», sagt er. «Wie schön, dich wiederzusehen.»

25. Juni
Beginn der Ludi Taurii
Heute bot sich eine Gelegenheit. Die Mutter war fortgegangen und ließ das Kind schlafend im Bett zurück. Es schläft jetzt nicht mehr in seiner Wiege, sondern in einem richtigen Bett mit Gittern an den Seiten, damit es nicht herausfallen kann. Sie hatte Angst, es allein mit mir im Haus zu lassen, doch sie wurde von einem entzündeten Zahn geplagt und musste unbedingt zum Zahnarzt. Ich habe ihr überzeugend versichert, dass das Kind bei mir sicher ist, und genau so war es dann ja auch. Kaum war die Mutter fort, holte ich mein Messer und betrat das Zimmer.
Sie schlief, mit leicht geöffnetem Mund. Sie ist kein hübsches Kind, was immer die Mutter behaupten mag. Ich drehte sie so, dass der Hals freilag. Ich sah die Ader dort pulsieren. Die perfekte Stelle.
Ich will dir nicht verhehlen, liebes Tagebuch, dass ich diesen Augenblick ein wenig fürchtete. Würde mich das Mitleid übermannen, diese verweichlichte Empfindung? Würde ich Manns genug sein, die Tat auszuführen? Doch nun kann ich freudig berichten, dass ich keinen Funken Mitgefühl empfand, als ich dort über dem Kind stand wie ein rächender Engel. Stattdessen überkam mich eine große Freude, ein Gefühl ungeheurer Kraft und Rechtschaffenheit . Ja, genau so war es. Ich wusste ohne jeden Zweifel, dass ich das Richtige tat. Mein Arm war wie Stahl, stark und doch biegsam. Meine Augen brannten in den Höhlen. Ich hob das Messer.
Und dann – welche Banalität! –, dann klingelte das Telefon. Ach, die schändliche moderne Technik, die sich in althergebrachte Rituale drängt! Natürlich verdarb es den Augenblick völlig, und ich ging hinunter, um den Hörer des teuflischen Geräts abzunehmen. SIE waren es. Wir sprachen ganz manierlich miteinander, doch sie werden schon nächste Woche zurückkehren. Nur noch so wenig Zeit.
Es ist immer noch sehr heiß. Das Haus wartet.

[zur Inhaltsübersicht]
    24
    Zunächst begreift Ruth gar nicht, was eigentlich vor sich geht. Ratlos schaut sie zwischen Hennessey und Max hin und her und fragt sich gleichzeitig, weshalb auch Nelson ein so entgeistertes Gesicht macht. Doch er findet als Erster die Sprache wieder.
    «Martin», sagt er. «Sie sind Martin Black?»
    Max lacht. Ein solches Lachen hat Ruth noch nie gehört; es klingt rau und ein klein wenig wahnsinnig. «Black, Grey», sagt er. «Wo ist da der Unterschied?»
    Und dann fällt es Ruth wieder ein. Martin und Elizabeth Black. Die beiden Kinder, die im Kinderheim gewohnt haben und auf so rätselhafte Weise verschwunden sind. Kann das wirklich wahr sein? Kann es sein, dass Max, der doch behauptet hat, nichts über das Grundstück an der Woolmarket Street zu wissen, einmal selbst hier gelebt hat? Ist er deswegen nach Norfolk zurückgekehrt? Und wenn er ihr das verheimlicht hat, meldet sich eine schwarzseherische Stimme in ihrem Hinterkopf: Was hat er ihr dann sonst noch alles verschwiegen?
    Pater Hennessey tritt näher an Max heran, der kreideweiß geworden ist.

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