Knochenhaus (German Edition)
duschen und sich anziehen. Um zehn hat sie einen Termin im Krankenhaus. Die nächste Ultraschalluntersuchung steht an.
Doch noch ehe sie im Bad ist, klingelt das Telefon. Es ist Nelson, der von unterwegs anruft. «Ich habe mir gerade gedacht, dass du in deinem Haus allein nicht sicher bist, solange dieser Spinner frei herumläuft. Kannst du irgendwo anders hin?»
«Nein», sagt Ruth entschieden. In einer ähnlichen Situation ist sie einmal zu Shona gezogen. Das wird sie so schnell nicht wieder tun.
Nelson seufzt hörbar. «Dann schicke ich jemanden, der bei dir übernachtet.»
«Nein!»
«Es geht nicht anders, Ruth. Du bist in Gefahr.»
«Na gut, von mir aus. Solange es nicht Clough ist.»
Nelson lacht. «Ich schicke dir meine beste Mitarbeiterin.»
Verärgert, aber zugleich auch merkwürdig beruhigt, legt Ruth auf und stapft nach oben ins Bad. Sie ist schon jetzt völlig erschöpft, dabei ist es noch nicht einmal neun Uhr. Als sie gerade in die Dusche steigen will, klingelt das Telefon erneut. Zum Teufel mit Nelson. Wahrscheinlich will er ihr noch sagen, dass sie aufpassen soll, nicht auf der Seife auszurutschen. Einen Moment lang überlegt sie, es einfach klingeln zu lassen, doch dann treibt die Befürchtung, es könnten schlechte Nachrichten sein – womöglich etwas mit ihren Eltern? –, sie doch die Treppe hinunter.
Es ist Max. «Hallo, Ruth. Ich hoffe, es ist nicht zu früh für einen Anruf? Ich wollte mich einfach nur erkundigen, wie es dir geht, nach Samstag, du weißt schon.»
War das tatsächlich erst am Samstag, dass sie die Nacht im Krankenhaus verbracht hat? Ihr kommt es vor, als wäre es Wochen her. «Alles bestens», sagt sie.
«Ich hatte mich gefragt … wegen deiner Ausgrabung in Norwich …»
«Ja?»
«Könnte ich vielleicht doch vorbeikommen und mir das ansehen? Du meintest doch, ihr hättet römische Tonscherben gefunden …»
Einen Moment lang sagt Ruth gar nichts. Natürlich erinnert sie sich, dass sie Max eingeladen hat, sich die Ausgrabung an der Woolmarket Street anzusehen, doch eigentlich hat sie nicht damit gerechnet, dass er die Einladung tatsächlich annimmt. Die römischen Fundstücke sind kaum der Rede wert, außerdem sollen die Bauarbeiten heute wiederaufgenommen werden. Warum interessiert sich Max plötzlich für dieses Grundstück? Ist das womöglich nur ein Vorwand, sie wiederzusehen?
«Ich habe um zehn einen Termin», sagt sie schließlich, «aber wir könnten uns um halb zwölf am Grundstück treffen.»
«Großartig. Dann bis später.»
Diesmal hüpft Ruth die Treppe hoch und singt fröhlich unter der Dusche.
Das zweiköpfige Kalb von Aylsham erregt einiges Aufsehen auf dem Revier.
«Hey, Boss, haben Sie ein neues Haustier?» Das kommt von Clough.
«Das ist ja abscheulich!» Leah.
«Was hat denn das hier zu suchen?» Judy.
«Das ist auch aus dem Museum, nicht?» Das kommt, eifrig und aufgeregt, von Tanya.
Nelson deponiert das Kalb in der Einsatzzentrale. In seinem Büro will er es nicht haben – der Blick aus den glasigen Augen geht ihm auf die Dauer an die Nieren.
«Cloughie! Sie schaffen das Teil zurück ins Museum und bringen in Erfahrung, wie es da überhaupt rausgekommen ist.»
«Vielleicht hatte es ja Lust auf einen kleinen Spaziergang?»
Nelson schenkt ihm keine Beachtung. «Kriegen Sie raus, wer Zugang zu den Ausstellungsstücken hat. Tanya!»
«Ja?»
«Sie müssen sich um Sir Roderick Spens kümmern. Er kommt nachher zum DNA-Test.»
«Jawohl, Sir.»
«Judy, Sie müssen für ein paar Tage bei Ruth Galloway einziehen.»
Das scheint Judy aus irgendeinem Grund nicht zu passen. Er kann nur hoffen, dass sie jetzt nicht anfängt, launisch zu werden. «Wieso das denn?», fragt sie.
«Weil ich glaube, dass jemand versuchen wird, sie umzubringen.»
Die zweite Ultraschalluntersuchung fühlt sich völlig anders an als die erste. Ruth weiß bereits, was sie erwartet, und da sie ja auch nach dem Unfall schon kurz untersucht wurde, ist sie einigermaßen sicher, dass es dem Baby gutgeht. Inzwischen spürt sie auch seine Bewegungen, wie kleine Schmetterlingsflügel, die von innen ihre Bauchdecke streifen. Etwas Vergleichbares hat sie noch nie gespürt. «Es fühlt sich an, als würde sich etwas in mir bewegen», hat sie geantwortet, als Shona danach gefragt hat. «Aber das ist doch auch so», hat Shona darauf erwidert.
Sie wird ins Untersuchungszimmer geführt. Wie immer hat sich alles verschoben, und Ruth befürchtet bereits, es nicht
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