Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
gefunden. Hat das Blut gesehen und die Kleine ins Krankenhaus gebracht.«
»Also wusste er, das Brandi etwas zugestoßen war.«
»Brandi war versteckt - jedenfalls haben das die Cops gesagt, in irgendeinem Gebüsch. Das Baby lag offen da, und er hat wohl nur an das Baby gedacht.«
»Warum ist er zum Krankenhaus gelaufen, statt sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen?«
»Weil er Angst hatte, oder hätten Sie keine?«, konterte Brackle. »Wenn Sie einmal wegen irgendwas, was Sie nicht getan haben, im Knast gewesen sind, und jetzt ist da ein Baby voller Blut? Nicht dass er das gesagt hat, ich hab mir das bloß gedacht. Der Junge hatte sein ganzes Leben lang Angst. Wenn ich beim Schuppen vorbeigekommen bin, hab ich ihn stöhnen hören, weil er schlecht geträumt hat. Bei Tageslicht hatte er einen Blick drauf, als würde er, wie sagt man dazu - gehetzt. Er wurde von all dem heimgesucht, was man ihm angetan hat. Das ginge jedem so, wenn er solche Schläge auf den Kopf abgekriegt hätte. Er ist wahrscheinlich durchgedreht, weil er dachte, die Cops geben ihm die Schuld. Aber trotz aller Angst wollte er dafür sorgen, dass es dem Baby gut geht.«
»Sie haben also nie mit ihm darüber geredet?«, hakte ich nach.
»Nee. Travis ist verschwunden, nachdem er Brandeen im Krankenhaus abgeliefert hat.«
»Woher wussten Sie, dass er es war?«
»Die Cops haben ihn beschrieben. Haben gefragt, ob wir wüssten, wo er steckt, aber wir haben es nicht verraten. Wir waren alle außer uns wegen Brandi und wollten die Sache
nicht noch komplizierter machen. Uns ging’s vor allem darum rauszufinden, wer ihr das angetan hat, und das haben wir ihnen auch gesagt.«
»Travis ist bei der Kälte zwei Meilen weit gelaufen«, sagte ich.
»Travis ist ständig gelaufen. Fast den ganzen Tag.«
»Wo?«
»Überall«, erwiderte Brackle. »Aber dass Sie mich nicht missverstehen, da war nichts Verrücktes dabei. Er ist einfach gern gelaufen.«
»Es ist das beste Training«, fügte Kelly hinzu. »Ich bin früher zehn Meilen am Tag gelaufen. Fünf schaffe ich immer noch.«
Die Haut um Brackles Augen warf Falten. Er zwang sich dazu, fröhlich zu wirken. »Genau, Aerobic, der Junge wollte Aerobic machen - nein, Sir, er ist bloß gern gelaufen.«
»Wie ist Travis bei Simon gelandet?«, erkundigte ich mich.
Kelly sagte: »Das war Jahre später. Wir hatten eine ganze Weile nichts von ihm gehört, dann hat er Larry aus heiterem Himmel angerufen, um ihm Bescheid zu sagen, dass es ihm besser geht.«
»Er hatte also endlich Hilfe gefunden«, schloss Brackle.
»Und wo?«
»Hat er nicht gesagt, und ich habe auch nicht gefragt. Er klang gut, ich habe gemerkt, dass es diesmal anders war. Ich hab ihn auf einen Kaffee zu mir und Kelly eingeladen. Er sah gut aus.«
»Seine Augen waren klar«, fügte Kelly hinzu. »Er sah richtig intelligent aus. Das kam vorher nie raus, weil er immer so deprimiert war. Er hat erzählt, dass er feste Arbeit sucht und dass er sein Geld auf ehrliche Weise verdienen möchte. Ich wusste, dass Simon jemanden sucht, der sich um sein Haus kümmert. Er hatte vorher nur Flaschen gehabt und brauchte
jetzt jemanden, auf den er sich verlassen kann. Als ich gefragt habe, hat er gesagt, klar, er probiert’s mit Travis. Und siehe da, es hat bestens funktioniert.«
Ich fragte: »Hat Travis darüber gesprochen, was er gemacht hat, seit Sie ihn zum letzten Mal gesehen hatten?«
»Nein, Sir«, erwiderte Brackle.
»Wo hat er gewohnt?«
»Ich hatte das Gefühl, dass er verreist war.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wohin?«
»Wir haben ihn nicht ausgefragt«, erklärte Kelly. »Wir waren begeistert, dass es ihm gut ging. Es lief für alle bestens. Simon hat sich bei mir dafür bedankt, dass ich Travis für ihn gefunden habe. Travis ist sanftmütig, er würde niemanden was zuleide tun. Jetzt kriege ich aber irgendwie Hunger.«
»Jawoll, Essenszeit«, sagte Brackle. »Wir würden Sie ja einladen, Sir, aber wir kaufen immer nur für zwei ein.«
Ich fuhr in die Stadt zurück. Vor meinem Haus stand ein gelber VW.
Er war leer, der Motor kalt. Nirgendwo eine Spur von Alma Reynolds.
Meine Bemerkung über die Perlen ihrer Mutter hatte sie aufgeschreckt.
Vielleicht hatte Robin sie reingelassen.
Als ich die Treppe hochstieg, sagte hinter mir jemand: »Jetzt stelle ich Ihnen nach.«
Sie trat neben dem Haus hervor und kam mit einem grünen Vinylaktenkoffer auf mich zu. Er war nagelneu, noch mit Etikett am Griff und nicht viel
Weitere Kostenlose Bücher