Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
»Ich hab bloß gehört, dass er tot is.«
»An einer Überdosis gestorben.«
»Was denn sonst?«
»Sie sind davon ausgegangen, dass er sich eine Überdosis verpasst hat?«
Ihr Blick war voller Mitleid. »Detective Reed, Detective Reed. Jerome hat sich den ganzen Tag lang zugedonnert, und auf einmal isser tot. Klingt das für Sie nach Altersschwäche?«
»Dolores hat nicht für Joe Otto Duchesne angeschafft«, sagte Milo.
»Nie und nimmer. Joe Otto arbeitet mit Schwarzen, ohne Ausnahme.«
»Erzählen Sie uns etwas über Dolores.«
Sie wedelte mit einem Hühnerknochen. »Alt. Weiß. Hässlich.«
»Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
»Hmm … vor’nem Jahr vielleicht?«
»Wie alt ist alt?«
»Hundert«, sagte Sin lachend. »Vielleicht auch hundertfünfzig, sie hat richtig verbraucht ausgesehn.«
Eiscreme mit Pfirsicharoma verschwand zwischen ihren Lippen. Im Gegenzug kamen aber keine neuen Auskünfte mehr. Reed gab ihr seine Karte, und sie schaute sie an, als handelte es sich um ein exotisches Insekt.
Als sie das Restaurant verlassen hatte, gingen wir zum Parkplatz und sahen sie mit schwingenden Hüften auf dem Aviaton in Richtung Süden ziehen. In Reeds Camaro war kein Computer, deshalb hatte Milo seinen mit allen Schikanen ausgestatteten Chevrolet vom Personalparkplatz geholt.
Im Register fanden wir weder eine Dolores noch eine Dolores Mantooth. Nachdem wir ein bisschen herumgepuzzelt hatten, stießen wir schließlich doch auf sie.
DeMaura Jean Montouthe : blond, grüne Augen, eins fünfundsechzig groß, 63 Kilo schwer, einundfünfzig Jahre alt. In den letzten dreißig Jahren wiederholt wegen Geringfügigkeiten festgenommen.
Kein Wort über Zahnanomalien, aber für die Feinheiten eines Gebisses interessierte man sich beim LAPD auch nicht.
Milo rief bei der Sitte an und erfuhr innerhalb von Sekunden den Namen ihres Zuhälters.
Jerome Lamar McReynolds. Die Krypta bestätigte, dass er vor vierzehn Monaten gestorben war. An einer Überdosis Heroin und Kokain. Die Todesursache war anhand von Nadelspuren und Blutuntersuchung festgestellt worden. Keine Autopsie.
»Der Typ pfeift Speedballs ein«, sagte Milo. »DeMaura ist freischaffend, verletzlich. Der Täter spürt das und schlägt zu.«
»Ideal für irgendwelche reichen Aasgeier«, meinte Reed und rieb seinen schwellenden Bizeps.
»Das Ausschlaggebende ist«, sagte Milo, »dass Frauen eine leichte Beute werden.«
15
Danach drei Tage mit weniger Jagdglück.
Milo und Reed waren bei ihren Nachforschungen am Flughafenstrich auf keine weiteren Prostituierten gestoßen, die einem kahlköpfigen, mit einem Messer herumfuchtelnden Freier begegnet waren. Eine Sittenpolizistin namens Diane Salazar hatte DeMaura Montouthe mehrmals festgenommen und glaubte, dass sie aus Alabama stammte, war sich aber nicht sicher. In den Steuerunterlagen des Staates war niemand mit diesem Familiennamen aufgetaucht.
»Sie kennen nicht zufällig ihre Zahnärztin, Diane?«
»Klar doch, Milo. Ihren Friseur und den Privattrainer ebenfalls.«
»Wie war sie so?«
»Ein nettes Mädchen, nicht allzu helle. Hat nie gezetert, wenn wir sie bei einem Lockspitzeleinsatz geschnappt haben. Vor vielen Jahren war sie sogar irgendwie hübsch.«
»Das einzige Polizeifoto, das ich gesehen habe, ist zwei Jahre alt.«
»Sie wissen schon«, sagte Salazar. »Das Übliche.«
Niemand hatte irgendetwas davon gehört, dass DeMaura, Sheralyn Dawkins oder Big Laura bei privaten Partys arbeiteten.
»Wenn sie’s gemacht hätten, hätten se damit rumgeprotzt«, sagte ein Zuhälter. »Vor allem Big L, die provoziert gern, glotzt einen an. Wenn man ihr nicht recht gibt, geht sie gleich auf einen los.«
»Ist Ihnen das schon mal passiert?«, fragte Reed.
»Was?«
»Hatten Sie schon mal eine Auseinandersetzung mit Big Laura?«
»Nein, verdammt noch mal. Wenn mir das passiert wär, hätt ich ihr was angetan.«
»Ihr wurde etwas angetan.«
»Schnurzegal. Ich muss jetzt weiter.«
Ein Nutte namens Charvay, jung, geschmeidig, noch nicht von der Straße gezeichnet und davon überzeugt, dass sie ihr Leben noch vor sich hatte, streichelte ihre Brüste, lachte und brachte die vorherrschende Meinung zum Ausdruck: »Die? Mit reichen Leuten? Auf was für’ner Schickimickiparty will man denn dieses Gammelfleisch?«
Auf der Rückfahrt zum Büro war Milo mürrisch.
Moe Reed, der das möglicherweise spürte, fuhr schnell. »Könnte sein, dass die Vanders nichts damit zu tun
Weitere Kostenlose Bücher