Knochensplitter

hören, aber nur, wenn Sie die Sprechtaste drücken. Er hat einen Ohrhörer, sodass niemand sonst im Raum mitbekommt, was Sie sagen.«
    Finnie trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Ihnen ist doch klar, dass Superintendent Green wahrscheinlich eine Entschuldigung verlangen wird?«
    »Ich hab ihm doch gesagt , mit seinen Drohungen wird er nur erreichen, dass Frank Baker die Flucht ergreift.«
    Broddurs Stimme dröhnte durch den Raum. »Sind wir so weit?«
    Logan drückte die Taste. »Von uns aus ja, Inspector.«
    Eine verschwommene Hand wischte über den Bildschirm. »Bring ihn rein, Charlie.«
    Gordon Maguires kahler Schädel glänzte im Deckenlicht wie frisch poliert. Er nahm auf dem Stuhl Platz, der zur Kamera gewandt war, und setzte eine finstere Miene auf. »Sie wissen schon, dass wir in fünfzehn Minuten ein Live-Update zum Voting haben, nicht wahr? Ganz zu schweigen von ungefähr einer halben Million Dinge, die ich noch erledigen –«
    Broddur unterbrach ihn: »Sie sind uns gegenüber nicht hundertprozentig ehrlich gewesen, nicht wahr, Mr. Maguire?«
    Der Produzent leckte sich die Lippen. »Das ist alles ein gewaltiges Missverständnis. Wie ich diesen Idioten in Aberdeen schon gesagt habe: Ich kann es mir nicht leisten, auf Alison und Jenny zu verzichten. Wenn ich dieses Album nicht bald rausbringe, verliere ich alles.«
    Logan drückte wieder die Sprechtaste. »Und warum hat unser Zeuge dann Alison McGregor in seinen Wagen steigen sehen, als –«
    »Ja, danke – dazu wollte ich gerade kommen. « Broddur beugte sich vor und ließ die Kamera mehr von seinem Rücken sehen. »Und wieso haben wir dann einen Zeugen, der Alison McGregor an dem Abend, an dem sie verschwand, in Ihren Wagen einsteigen sah?«
    »Ah …« Maguire sah nach links. »Ja, nun, also wissen Sie … Wir hatten etwas Geschäftliches zu besprechen. Also habe ich sie nach Hause gefahren.«
    »Und Sie haben praktischerweise vergessen, diese Tatsache zu erwähnen, obwohl Sie dreimal dazu befragt wurden?«
    »Hören Sie, es ist … Mein Gott.« Maguire rieb sich mit der Hand übers Gesicht. »Wir … Wir hatten eine Affäre. Wir sind in mein Hotel gefahren, haben ein paar Gläser Wein getrunken und …« Er räusperte sich. »Verlangen Sie wirklich, dass ich noch mehr ins Detail gehe?«
    »Ein paar von meinen Kollegen nördlich der Grenze sind manchmal ein bisschen schwer von Begriff, wenn es um zwischenmenschliche Feinheiten geht, Mr. Maguire. Besser, Sie sprechen es schön deutlich aus.«
    Er seufzte. »Wir haben uns letztes Jahr bei den Vorausscheidungen für Britain’s Next Big Star kennengelernt. Wir haben ein bisschen geplaudert, dann haben wir uns auf einen Kaffee getroffen und sind schließlich zusammen essen gegangen. Wir haben uns gut verstanden, ich mochte sie, und sie mochte mich. « Er rieb sich den kahlen Schädel. »Wenn je herauskäme, dass ich … etwas mit einer der Teilnehmerinnen hatte, würde alles natürlich gleich ›Schiebung‹ schreien; dabei stimmt das gar nicht: Ich habe die Jury nicht beeinflusst. Das war gar nicht nötig. Sie war einfach spitze.«
    Er rutschte auf seinem Stuhl vor und zurück. »Am Mittwochabend sind wir auf mein Zimmer gegangen, und hinterher habe ich sie nach Hause gefahren und bin dann zurück ins Hotel, um zu packen. Ich musste mit der Nachtmaschine zurück nach London. Das ist alles, ich schwöre es. Ich weiß absolut gar nichts über ihr Verschwinden.«
    Er druckste eine Weile schweigend herum.
    »Sie erzählen doch niemandem von ihr und mir, ja? Sie wissen doch, wie gerne die Medien solche Geschichten über die Maßen aufbauschen.«
    »He, Kleine, wie geht’s?« Eine Roboterstimme in der Dunkelheit.
    Ihre Augen sind ganz verkrustet … Jenny wischt die Augen-Popel weg und blinzelt, verzieht das Gesicht, als das Licht sie blendet. »Ich schlafe.«
    »Ich weiß, aber es ist wieder mal Zeit für deine Spritze, okay?« SYLVESTER krempelt ihren Ärmel hoch, und sein weißer Anzug raschelt. »Inzwischen müssten wir das ja schon ganz gut können, nicht wahr?«
    Die stachlige Biene sticht. Jenny beißt sich auf die Unterlippe und weint nicht. Sie ist ein tapferes kleines Mädchen.
    »Okay, wunderbar, jetzt nur noch rasch abtupfen …« Er wischt mit einem kleinen Läppchen über den Stich. »Und ein Pflaster drauf …« Klein und rund, und blass wie die Haut von Barbie. »Und fertig.« Er hält einen Lutscher in der lila behandschuhten Hand.
    Jenny nimmt den Lutscher. Wickelt ihn aus.