Knochensplitter
miteinander verrückt geworden?« Das Handy piepste ihn an. Kein Netz. »Scheißteil!« Er schaltete es aus und wieder ein … und diesmal zeigte es einen Balken. Er wählte.
»Hallo?«
Er konnte die Frau am anderen Ende kaum verstehen. »Notrufzentrale, welchen –«
»Feuerwehr!« Er ratterte die Adresse herunter und ließ sie sich von der Frau wiederholen.
»Gut, jetzt müssen Sie vor allem Ruhe bewahren. Holen Sie ein paar nasse Handtücher und dichten Sie damit die Lücken zwischen Tür und Boden ab.«
»Aber wir sitzen im Schlafzimmer fest – wo zum Teufel sollen wir da feuchte Handtücher herholen?«
»Nun ja … Sie könnten ja stattdessen ein paar Pullover oder Bettwäsche benutzen?«
»Na super. Und wo soll ich das Wasser herkriegen? Soll ich vielleicht drauf pinkeln?«
»Ich versuche ja nur zu helfen. «
Samantha tippte ihm auf die Schulter. »Wird Zeit, dass wir verschwinden.«
Er sah sie an. »Die Feuerwehr ist unterwegs.«
»Überleg doch mal – wie lange dauert’s wohl, bis die hier sind?«
»Fünf, zehn Minuten vielleicht?«
»Und dann müssen sie noch die Leitern ausfahren und alles vorbereiten. Und wir sind an der Rückseite vom Haus – wie sollen die da mit dem Löschfahrzeug hinkommen?«
Er riskierte noch einen Blick auf die stetig absinkende Rauchschicht. Sie war jetzt einen knappen Meter über dem Boden und fiel immer noch. »Wir sind geliefert, nicht wahr?«
»Wahrscheinlich.« Samantha kletterte über ihre behelfsmäßige Barrikade und zog drei Schubladen heraus, die sie dann zu ihrem Kleiderhaufen am Fenster schleifte.
Logan trennte die Verbindung und kroch Sam hinterher.
Irgendwo auf der anderen Seite der Schlafzimmertür gab es einen lauten Knall und dann ein Krachen. Wahrscheinlich war der Fernseher explodiert.
Samantha packte ihn im Nacken, zog ihn dicht heran und küsste ihn. Sie schmeckte nach versengtem Plastik und Ozon. »Du schuldest mir noch eine Essenseinladung – also wehe, du überlebst das hier nicht!«
»Bist du bereit?«
»Nein. Du?«
»Nee.« Er packte das Fensterbrett und zog sich in die Hocke hoch. Dann griff er durch die Rauchschicht nach dem Sicherheitsriegel und schob ihn auf. Und zog mit aller Kraft. Das Fenster knarrte und sprang schließlich ruckelnd auf. Uraltes Holz und mehrere Lackschichten protestierten ächzend.
Es war, als hätte jemand einen Staubsauger eingeschaltet, als die kältere Luft den wirbelnden Rauch in die Nacht hinaussog. Hinter der Schlafzimmertür steigerte sich das Knistern der Flammen zu einem Prasseln – der Luftzug fachte das Feuer noch weiter an.
Samantha tauchte neben ihm auf und starrte in die Tiefe. »Oh … Scheiße.«
Das war das Problem, wenn man im obersten Stock wohnte – der Boden war ganz, ganz weit unten. Drei Stockwerke vertikaler Granit, und dann das Flachdach des angrenzenden Gebäudes.
Sie duckte sich wieder und warf ihr Ballkleid und die Korsetts aus dem Fenster.
Logan blickte nach links und nach rechts – vielleicht könnten sie aufs Dach klettern? Sich irgendwie an der Regenrinne hochziehen. Er streckte die Hand aus und zerrte einmal kräftig daran.
Im nächsten Moment hielt er ein schwarzes, rostiges Stück Blech in der Hand.
Samanthas Stiefel segelten hinunter und klatschten auf das Flachdach, gefolgt vom Inhalt aller drei Schubladen. Unterhosen, BH s und gestreifte Kniestrümpfe flatterten herab wie Schneeflocken mit Spitzenbesatz.
Sie hustete und wischte sich mit der Hand über das rußverschmierte Gesicht. Jetzt war es an der Stelle einen Deut heller. »Soll ich vorgehen?«
»Wohin? Wo willst du denn hingehen?«
»Na schön. Du kannst ja nachkommen.« Samantha biss sich auf die Unterlippe. Holte tief Luft. Hustete. Dann hob sie vorsichtig ein Bein über das Fensterbrett, wobei sie sich weiter geduckt hielt, um unter der wirbelnden Rauchschicht zu bleiben.
Logan packte sie. »Scheiße, was machst du denn da?«
»Das Fallrohr. Wir haben eins an der Küche, und daran können wir runterklettern.«
»Du bist ja vollkommen wahnsinnig !«
Sie deutete mit dem Kopf zur Schlafzimmertür. Die Flammen schlugen schon durch die Lücken um die ausgeweidete Kommode herum. »Willst du hierbleiben und es einfach drauf ankommen lassen?«
Nein, das wollte er nicht. »Wart mal …«
Logan riss die Bettdecke herunter. Der Schweiß tropfte ihm von der Stirn, und er spürte, wie er ihm auch den Rücken hinunterrann. Er zerrte das Spannbetttuch von der Matratze und drehte es zu einem lockeren Seil.
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