Knochensplitter
Wasser.«
Die Monster hören auf, sich zu streiten. »Ja, okay. Sylvester, hol ihr mal ’ne Flasche Wasser oder so …«
»Er geht nicht an sein Telefon. Wieso geht er nicht an sein verdammtes Telefon? Ich hab doch gesagt, dass er ein einziger großer Unsicherheitsfaktor ist, oder, David? Hab ich’s nicht gesagt?«
»Da – es ist ziemlich kalt. Vielleicht solltest du sie nicht alles auf einmal trinken lassen, sonst muss sie kotzen.«
Mamis Gesicht taucht verschwommen über ihr auf. Ihre Augen sind rot, genau wie ihre Nase. Sie schnieft, wischt mit dem Handrücken einen Tropfen ab. »Hier, Schätzchen, versuch, in kleinen Schlucken zu trinken.«
Das harte Plastikteil drückt auf Jennys Lippen, und sie schluckt gierig. Kalt und nass und wohltuend, so breitet es sich in ihr aus. Wie ein eisiger Tintenfisch, der seine Arme bis in ihre Ellbogen und Knie ausstreckt.
»Wir müssen irgendwas tun – was ist, wenn sie stirbt?«
»Verdammt, sie wird nicht sterben.« DAVID hinterlässt feurige Fußstapfen auf dem Boden. »Hier – dieser hoffnungslose Versager hat seine Arzttasche dagelassen. Sie braucht bloß ein bisschen mehr Antibiotika oder so.«
Das Wasser ist wieder weg. Jenny greift nach der Flasche, aber ihre Hände zittern und wackeln. Wie zwei Luftballons mit Würstchen dran …
»Schsch … Es wird alles gut, Schätzchen, es wird alles gut. Mami verspricht’s dir.«
»Ich hab hier was gefunden – Fluc… – Fluc-lox-acillin.« Er spricht es stockend aus. »Das ist doch richtig, oder nicht?«
»Wie viel sollen wir ihr geben?«
»Keine Ahnung. Kann man Antibiotika überdosieren?«
»Mein Gott, Tom.« DA VID seufzt und zieht die Schultern hoch. »Du hast doch ein iPhone – googel’s halt.«
»Okay … Mach ich. Also – da haben wir’s doch schon. Flucloxacillin … Wie viel wiegt sie?«
»Was spielt denn das für ’ne Rolle?«
»Es hängt davon ab, wie schwer sie ist. Dreißig Milligramm pro Kilo. Was wird sie wiegen – neunzehn, zwanzig Kilo?« Er hantiert mit einer Nadel und einer kleinen Glasflasche herum und spritzt dann einen kleinen Bogen in die Luft, genau wie im Fernsehen. »Also gut … wer macht’s?«
SYLVESTER weicht zurück. »Nee, das ist Colins Job.«
»Schon, aber Colin ist nicht hier, oder?«
»Gib schon her, das Scheißding.« DAVID streckt die Hand aus. »Spritzt man es in eine Vene oder in den Muskel?«
»Äh …« Er schaut wieder auf das glänzende flache Ding in seiner Hand. »Ist egal.«
Mamis Stimme zittert. »Bitte, tut ihr nicht weh …«
»Hat dir die eine Lektion nicht gereicht, hä?«
Sie zuckt zurück.
»Hab ich mir’s doch gedacht. Halt den Arm von der Kleinen fest.«
Jenny beobachtet die glänzende Spritze. Sie funkelt und blitzt im Sonnenschein. Draußen am Meer – ein Picknick mit Eiersandwichs und Würstchen und Papi. Er hebt sie auf seine Schultern und rennt lachend ins Wasser. Mami steht am Strand und winkt.
Die stachlige Biene sticht.
30
Der Bär schürzte die Oberlippe. »Was ist? Seh ich etwa aus wie deine verdammte Mutter?« Sein Gesicht war halb Fell, halb Narbengewebe, die Haut verzerrt zu einem höhnischen Dauergrinsen.
Logan sah unauffällig zum Kühlschrank. »Ich weiß nicht, wo es ist.«
Ein Lächeln. Kein freundliches Lächeln, sondern ein Ich-beiß-dir-deine-verdammte-Fresse-weg-Lächeln … »Ich will doch schwer hoffen, dass das –«
Der Bauch des Bären begann zu singen. »Scheiße …«
»Jennys Zeh muss wieder in den Kühlschrank.« Logan blinzelte. Dunkel. Blinzelte wieder. Das blassgrüne Leuchten des Radioweckers tauchte das Schlafzimmer in ein unwirkliches Licht. Eine Art postkoitaler Mief erfüllte den Raum, wie eine Mischung aus Gewürzen, Knoblauch und Reinigungsmittel, und überall lagen Socken und Unterhosen herum wie nach einer römischen Orgie.
»Urgh …« Haben die Römer eigentlich unter ihren Togen Unterhosen getragen?
Sein Handy klingelte.
»Verdammter …« Erst beim zweiten Versuch bekam er das Ding zu fassen.
Samantha grummelte und wälzte sich im Schlaf, den Mund leicht geöffnet, sodass man ihre Zungenspitze und die oberen Schneidezähne sehen konnte. Ein Schnarcher. Schmatz, schmatz. Murmel.
Logan drückte die Taste. »Was gibt’s?«
Er gähnte, bohrte sich die rechte Faust in die Augenhöhle.
Schweigen.
Typisch – das hatte er jetzt davon, dass er jedem hergelaufenen Junkie und Fixer im Nordosten seine CID -Visitenkarte in die Hand gedrückt hatte.
»Ich betreibe hier keine Sex-Hotline
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