KNOI (German Edition)
ganzen Sache zu tun haben könnte, aber die hatte sie auch, wenn im Fernsehen von einem ungeklärten Mord berichtet oder nach einem Kinderschänder gefahndet wurde. Sie hatte schon immer wahnsinnige Angst davor gehabt, sich in allem geirrt zu haben.
Und Jakob erschrak vor sich selbst, weil ihm gerade bewusst geworden war, dass er gehofft hatte, Jennifer wäre tot. Nicht aus Grausamkeit, nicht aus Kaltblütigkeit oder gar, um Konsequenzen zu ziehen. Nein, aus purer Bequemlichkeit. Und Lutz, der merkte, dass seine Strategie nicht aufgehen würde, weil die Eventualitäten schon wieder durch sein Gehirn ratterten, wollte sich einfach nur hinlegen, um wieder in diesem traumlosen Schlaf zu versinken. Und Hilde, die noch immer missmutig in die Runde blickte und darauf wartete, dass Rita endlich in ihrer Sache tätig wurde, blieb wie angefroren stehen, nur ihr Haarnest vibrierte so schnell wie der Flügelschlag eines Kolibris. Lutz war der Erste, der sich erhob. Dann Rita. Dann Jakob. Hilde blieb allein im Zimmer zurück und schnaufte unsouverän. Auf Ritas Telefon waren drei Anrufe in Abwesenheit. Alle anonym. Jakob hatte ebenfalls drei, alle von einer Rohrbacher Nummer. Auch Lutz schaltete nach zwei Tagen sein Telefon wieder ein. Nur eine Textnachricht. Er hatte die Nummer nicht gespeichert. Aber er erkannte sie sofort.
ZWÖLF
Natürlich war es nicht die alte Kerbler gewesen. Aber im ersten Schrecken hatte Jakob gedacht, die Nachbarin habe bei ihm angerufen, weil sie weder Jennifer noch Conny erreicht hatte. Es sei etwas Schreckliches passiert. Heute Morgen habe man den Leichnam von Frau Kerbler gefunden. Nein, nicht in ihrem Haus, auch nicht im Wald, man stelle sich vor, im Kofferraum ihres alten Mercedes. Sie habe ihn seit dem Tod ihres Ex-Mannes nicht mehr gefahren. Doch, Führerschein habe sie schon gehabt, aber keine Fahrpraxis. Er habe sie doch überallhin gefahren. Angst habe er gehabt, um seinen Mercedes. Und nachdem er sie verlassen hatte, sei sie ohnehin nicht mehr aus dem Haus gegangen. Und jetzt habe sie einer abgemurkst und in den Kofferraum gesteckt. Bei einer Raststation habe man sie gefunden. Der Wagen sei schon seit zwei Tagen dort gestanden. Und wenn sie nicht selbst am Begräbnis des alten Kerbler gewesen wäre, sie würde darauf schwören, dass er dahintersteckte. Von oben bis unten habe man sie aufgeschlitzt. So eine Gräueltat habe es in Rohrbach noch nie gegeben. Der einzige Rohrbacher, dem so etwas zuzutrauen gewesen wäre, das sei eben der alte Kerbler gewesen. Diabetes habe er gehabt, aber gefressen habe er, als gäbe es kein Morgen. Weil er sich darauf verlassen habe, dass ihm die arme Frau Kerbler jederzeit eine ihrer Nieren spende. Ohne mit der Wimper zu zucken, habe sie ihm eine gegeben. Und der Dank? Weiter gefressen habe er. Ins Gesicht habe er der armen Frau Kerbler gelacht, als er sie drei Jahre später wegen einer andern verließ. Ein neues Organlager habe er gebraucht, um weiter hemmungslos in sich hineinfressen zu können. Und nur zwei Ortschaften weiter habe er eine gefunden, eine Witwe, ein gefundenes Fressen sozusagen. Gewartet habe die Kerbler auf diesen Ganoven, der außer Zechen, Fressen und Gemeinheiten, über die sie als Nachbarin nie sprechen würde, nichts im Sinn gehabt habe. Niemals hätte sie seinen Mercedes hergegeben, obwohl sie das Geld gut hätte brauchen können. Aber da war die Kerblerin eben eine echte Rohrbacherin, die nicht bei jedem Windstoß zu schwanken beginne. Ja, man habe sich schon länger nicht mehr gesehen. Sie sei krank gewesen. Zuerst habe sie gedacht, die Kerbler würde ihr aus dem Weg gehen. Es habe da Gerüchte gegeben, die aber selbstverständlich nicht gestimmt hätten. Niemals hätte sie sich mit einem solchen etwas angefangen. Schließlich sei sie seit 35 Jahren verheiratet. Nicht immer glücklich, aber noch immer verheiratet. Andere seien trotz vieler Ehen unter dem Strich weniger lange glücklich gewesen als sie. Auf jeden Fall, so einer wie der alte Kerbler, der habe niemanden je glücklich gemacht. Wegen dem habe noch jede geweint, auch die alte Kerbler. Und diese Krankheit, die habe bestimmt mit ihm zu tun gehabt. Und mit ihren Töchtern, die vermutlich die gleichen Nichtsnutzgene in sich trügen wie ihr Vater. Wer weiß, vielleicht habe eine der beiden Töchter die alte Kerbler abgemurkst. Viel habe es da bestimmt nicht zu holen gegeben, aber heutzutage würde ja schon wegen jeder Kleinigkeit gemeuchelt.
Es war aber nicht die Nachbarin,
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