Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Koala: Roman (German Edition)

Koala: Roman (German Edition)

Titel: Koala: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Bärfuss
Vom Netzwerk:
Schiffen ans andere Ende der Welt zu bringen und dort ihre Strafe verbüßen zu lassen, für sieben Jahre oder bis ans Lebensende, was dasselbe war. Der Minister, Thomas Townsend, der zu einem Adelstitel gekommen war, der erste Viscount Lord Sydney, arbeitete auch an jenem letzten Tag der Arbeitswoche gründlich und sorgfältig und listete auf, was man für diese Unternehmung benötigte: vierzig Baumsägen, hundert Hacken, auf jeden vierten Mann einen Hammer, Bohrer und was man zum Hausbau sonst benötigt; zehn Ambosse und dreißig Wetzsteine, vierzig Schubkarren, ebenso viele Handmühlen, zwölf Pflüge, dazu Roheisen, Glas, Angelhaken, Fischernetze, zehn Fass Nägel verschiedener Stärke, zweitausend Splinte, zweihundert Scharniere und halb so viele Schlösser. An Garderobe auf jeden Mann zwei Jacken, vier Paar wollene Unterhosen und Strümpfe aus Kammgarn, einen Hut, schließlich Essnäpfe, Pökelfleisch, Zwieback, Mehl und allerlei lebendes Getier, Schafe, Ziegen, Hühner, Enten und anderes Geflügel.
    Dafür, so schrieb der Minister an seine Kollegen von der Schatzkanzlei, setze ihre Majestät die Summe von tausendzweihundertachtundsechzig Pfund und zehn Schillingen ein, ein erheblicher Betrag, dessen sei er sich bewusst, und er sei gerechtfertigt, denn die versteckten Kosten, die durch diese liederlichen Gesellen dem Königreich zur Last fielen, seien um ein Mehrfaches höher. Man werde diese Flotte unter das Kommando eines fähigen und erfahrenen Seemanns stellen, der am Kap der Guten Hoffnung die Vorräte aufstocken lassen und ferner unterwegs einige Weiber beschaffen werde, die der Mannschaft als Gefährtinnen dienen würden.
    So beluden sie die Schiffe. Und als der Proviant, das Vieh, die Mannschaften und die Soldaten an Bord waren, trieb man zuletzt die Verlorenen auf die dreizehn Schiffe, an einem Morgen im Mai, pferchte sie auf die ›Alexander‹, die ›Friendship‹, die ›Scarborough‹, die ›Prince of Wales‹, die ›Charlotte‹, die ›Lady Penrhyn‹, die ›Borrowdale‹, die ›Golden Grow‹, die ›Fishburn‹ und auf die ›Sirius‹, aber weder die Freundschaft noch eine edle Dame und auch kein ferner Stern erwarteten sie, nur nacktes Holz und feuchte Pferche ohne Licht und Luft tief unter Deck. Hutmacherinnen suchten sich ihren Platz, Hausierer, Marktschreier, Bedienstete, Möbelschreiner, Fuhrleute. In jedem Zustand und jeden Alters, schwanger, gebrechlich, humpelnd, abgerissen und in Lumpen, und auch jene Veteranen der amerikanischen Kriege, die der Frieden zu Paris arbeitslos gemacht und zu Hunderttausenden zurück ins Königreich geschwemmt hatte. Der Krieg hatte sie im Zaum gehalten, doch einmal aus dem Dienst entlassen, zeigte sich, dass diese Kreaturen die Gnade der Arbeit nicht kennengelernt hatten. Die Krone gab ihnen eine letzte Gelegenheit, sich in dieser Übung zu reinigen, und man wollte ihnen zeigen, nach welcher Art die Ordnung war, mit einem Gouverneur und dreihundert Soldaten als Lehrmeister.
    Alles in allem siebenhundertsechsundfünfzig Verdammte, zweihundertsiebenundvierzig Soldaten und dreihundertdreiundzwanzig Seeleute, vierzehn Kühe, dreißig Schafe, sechzig Ziegen und eine unbestimmte Zahl von Geflügel, bereit, die Reise ans andere Ende der Welt anzutreten.
    Darunter der sechzehnjährige John Bannister, der mit zwei Kumpanen ein paar Jahre vorher an einem Nachmittag gegen fünf Uhr in das Haus eines gewissen John Newen gestiegen war und es mit einem Kindermantel, einem Paar Baumwollsocken und einem Nachthemd wieder verlassen hatte. Dafür hatte ihm der Baron Eyre vor der zweiten Middlesex-Jury im ›Old Bailey‹ sieben Jahre Verbannung verpasst.
    Sieben Jahre auch für William Brice, der in einem Laden in der Peter Street einen Spiegel geklaut hatte, da war er sechzehn.
    Mary Morton, zwanzig, die an einem fünfzehnten Januar siebzehn Schnupftücher gestohlen hatte, ebenfalls sieben Jahre.
    Und auch Rebecca Boulton stieg an Bord, eine Dienstmagd, die an einem Dienstagmorgen gegen vier Uhr früh aus dem Haus des John Grant geflohen war und ein Baumwollkleid, eine Schürze, einen Hut, ein Band, ein paar Schuhe und ein Taschentuch mitgenommen hatte. Am Tag darauf wurde sie aufgegriffen und ins ›Old Bailey‹ gebracht, wo man ihr zwei Tage später mit einem glühenden Eisen ein großes F in die Hand brannte und sie zu den üblichen sieben Jahren Verbannung verdammte.
    Sie war nicht verwandt, aber von derselben Art wie Mary Bolton, die die ›Lady Penrhyn‹

Weitere Kostenlose Bücher