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Koala: Roman (German Edition)

Koala: Roman (German Edition)

Titel: Koala: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Bärfuss
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Als die Jäger durstig waren und erkannten, was das Tier getan hatte, stieg einer von ihnen in den Baum, um sich das Wasser zurückzuholen. Aber das Tier warf eines der Gefäße nach dem Jäger und traf ihn am Kopf. Der Kletterer verlor das Gleichgewicht und fiel durch die Äste bis hinunter auf den Boden.
    Der Geruch des Todes rief Bunjil herbei, den Vater der Kulin. Er befahl dem Tier, es solle das Wasser zurückgeben. Aber das Tier wollte nicht, es war starrköpfig und schmollte jetzt und musste bestraft werden.
    Bunjil schickte deshalb drei Männer hinauf in den Baum, immer höher stiegen sie, sie waren fast bei ihm, als es seinen Platz verließ und floh, hinaus auf die äußersten Äste. Aber es war zu spät. Einer der Männer griff das Tier und erschlug es.
    Und die Jäger erzählten sich, dass sie ihm das Fell über die Ohren gezogen hätten, ein gutes Fell, weich und regenfest. Das Fleisch brieten sie über dem Feuer und bemerkten nicht, wie die Freunde des Tieres in das Lager kamen, das Wasser stahlen und die Wasserlöcher zuschütteten.
    Und als die Menschen vor Durst zu schreien begannen, sei Karakawook, die Frau aus dem Himmel, gekommen und habe den Streit geschlichtet. Die Tiere mussten das Wasser zurückgeben, dafür versprachen die Menschen, ihnen in Zukunft das Fell zu lassen und sie nur ungehäutet zu braten.
    Sie taten dies, weil sie sich schämten. Das Tier war eine zu leichte Beute. Keine Anstrengung war nötig, um es zu jagen, keine List und kein Plan. Das Tier wehrte sich nicht, es lief nicht davon, die Jäger schüttelten den Baum, es fiel ihnen vor die Füße, sie töteten es, aßen und schämten sich.
    Das Tier hatte mit keiner Gefahr gerechnet. Es rechnete nicht damit, dass jemand nach seinem Fleisch trachten könnte und dafür die Bäume anzündete und das Land in Brand steckte. Was aus dem Feuer und dem Rauch floh, das lernte es bald, wurde vor die Speere und Beile getrieben, niedergemacht und gegessen, und so zog sich das Tier mit den Bäumen, die dem Feuer trotzten, von der Küste in abgelegene Gebiete zurück, weg von den Menschen, in die Wälder am Rande der Wüste, auf karge Böden, ohne Kupfer und Eisen. Es schickte sich in die Situation, gewöhnte sich an den Mangel und die lebenslange Anämie. Doch auch sein Rückzugsgebiet wurde angegriffen, seine Freistätten noch abgelegener. Man sah das Tier kaum mehr, es wurde zu einem Gerücht.
    Bis sich in einer anderen Ecke der Welt ein Mann entschloss, seinem König die Steuern zu verweigern, und eine neue Geschichte ihren Anfang nahm. Der Mann war jenseits der dreißig und hatte es schon zu etwas gebracht im Leben, zu einer Tabakplantage und dreihundert Sklaven. Er hatte eine reiche Witwe geheiratet, residierte auf einem Hügel in einem prächtigen Haus und lebte besser als viele seiner Herren. Denn er war zwar wohlhabend, doch in einer Kolonie geboren und ein Untertan. Es waren andere, die über ihn bestimmten, Aristokraten auf dem alten Kontinent. Und weil dieser Mann vergessen wollte, dass er nur ein Diener war, stattete er sich wie ein Herr aus. Bestellte Dessertgläser, wie seine Herren sie benutzten, eine Mahagonitruhe mit sechzehn Dekantiergefäßen, einen Käse im Gewicht von 124 Pfund, Besteck aus Sterlingsilber mit Griffen aus Elfenbein, Satinhauben, Puddingschalen, Schnupftabak, Filzhüte, mit Wappen verziertes Briefpapier, Stiche von Fuchsjagden, sechs Flaschen Greenoughs’s Tincture mit Schwammpinseln zur Reinigung seiner Zähne – denn Herren, das wusste er, haben niemals schlechte Zähne. Aber er hatte nicht daran gedacht, dass der Kaufmann, der auf der anderen Seite des Meeres lebte und ihm die Waren lieferte, derselbe war, dem er auch seinen Tabak in Kommission gab. Er bestimmte, wie viel der Tabak eintrug, wie viel die Ware kostete. Und merkwürdig: Von Jahr zu Jahr brachte der Tabak weniger, aber der Preis der Möbel, der Gläser und des Portweins, den er sich fassweise übers Meer liefern ließ, stieg mit jeder Fuhre.
    Er stand also an seinem Fenster, während draußen die Sklaven als brave Maulesel ihre Arbeit verrichteten, mit ihrem Schweiß den fernen Herren ein sorgenfreies Leben ermöglichten, und betrachtete die letzte Abrechnung des Kaufmanns, mit einem Saldo, den ein ehrlicher Mann niemals begleichen konnte und der noch seine Kinder und Kindeskinder in die Knie zwingen würde, und er bemerkte, wie sich ein Gefühl in seiner Brust zu regen begann, ein Gefühl, das er vor langer Zeit empfunden und beinahe

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