Koala: Roman (German Edition)
Bucht vorstießen, wo die Flotte lag, scheu, ängstlich, stumm, bevor sie auf ein unbekanntes Zeichen hin zu schreien begannen, ihre mit Muscheln bewehrten Speere zuerst gegen den Himmel, dann gegen die Engländer richteten. Wie groß die Angst der Soldaten war, davon steht nichts in ihren Berichten, aber verdächtig oft erwähnen sie ihre Gewehre, ihre einzige Versicherung, und niemand weiß, ob der Gouverneur tatsächlich so mutig war und alleine und unbewaffnet auf die Eingeborenen zuging, wie er in seinem Tagebuch behauptet. Er soll Glasperlen in der Hand gehalten haben, und einer, vollständig nackt, bedeutete ihm, dass er das Geschenk auf den Boden legen sollte, was Phillip tat. Der Eingeborene holte sich den Tand, dabei zitterte er, wie Phillip behauptete, am ganzen Körper, und er habe noch einen Spiegel entgegengenommen, bevor er sich mit seiner Gruppe zurückgezogen habe.
Die Eingeborenen, die sich selbst Eora nannten, begegneten ihnen freundlich, zeigten den Engländern, wo die Brandung nicht zu stark war und sie mit den Booten sicher anlegen konnten, führten sie zu sauberen Quellen, die Soldaten benahmen sich wie Gäste und brachten weitere Geschenke. Vor allem auf die Kleidung hatten die Wilden es abgesehen, besonders auf die Hüte, denn jedes Mal, wenn die Engländer die Kopfbedeckung abnahmen, gab es ein Geschrei, als hätten sie mit dem Dreispitz auch ein Geheimnis gelüftet. Auch die Engländer lachten oft. Ein Eingeborener, dem heißes Wasser unbekannt war, tauchte seine Hand in einen Topf, in dem eine Fischsuppe kochte, nach einem Moment des Erstaunens schrie er unter dem Gelächter der Soldaten auf, hüpfte herum, versuchte seine Hand mit dem Atem zu kühlen.
Die Engländer kämmten den Eingeborenen die Haare und machten sich einen Spaß daraus, sie mit bunten Wimpeln zu schmücken, Bänder um ihre Stirn zu binden und ihnen Metallfolie um den Hals zu hängen. Sie brachten ihnen ein paar Brocken Englisch bei, und eines Tages präsentierten sie ihnen einen schwarzen Schiffsjungen, ein Halbwüchsiger von vierzehn Jahren, den die Eingeborenen mit Wohlgefallen studierten. Sie betasteten seine Haut und die krausen Haare, baten um eine Locke, die ein Soldat aus dem Schopf des Schiffsjungen schnitt und den Eingeborenen reichte. Einer wickelte die Strähne um seinen Speer, als wär’s eine Trophäe, aber das wahre Mysterium blieb einstweilen unentdeckt. Sie hielten die Weißen für Frauen, der rasierten, blanken Wangen wegen, sie tuschelten und sinnierten, bis sich eines Tages der Gouverneur erbarmte und einem Soldaten den Befehl gab, sich vor den Eingeborenen zu entblößen. Diese quittierten mit Geschrei, tanzten wild und stimmten Lieder an. Ihre eigenen Frauen aber hielten sie von den Engländern fern.
Man bemühte sich um Frieden, der Gouverneur hatte Anordnung gegeben, sie freundlich zu behandeln und jedem Streit aus dem Weg zu gehen, was den Soldaten nicht leichtfiel. Manche begegneten ihnen feindselig und schleuderten Speere nach ihnen, mit einer solchen Kraft, dass man sie zu zweit aus dem Boden ziehen musste. Wenn sie zu aufsässig wurden, luden die Engländer ihre Büchsen mit Pulver und knallten ihnen ein paar blinde Kartätschen um die Ohren, worauf sie sich verzogen, aber sie blieben eine Bedrohung, und trotz der Musketen lebten die Engländer in ständiger Furcht vor einem Überfall. Sie konnten nicht herausfinden, wie viele es von ihnen da draußen gab, konnten sie, weil die buschigen Bärte ihre Gesichter verdeckten, nicht auseinanderhalten, wussten nie, ob jene Gruppe, die mittags in langen Booten schweigend durch die Bucht ruderte, dieselbe war, die morgens am Strand nach Austern getaucht war. Sie bemühten sich um gute Nachbarschaft, aber sie waren abgestoßen von diesen Wilden, die ihren Fisch roh aßen, sich nicht rasierten und die Gesichter mit Lehm bestrichen. Ihre Wangen, die Arme und die Rücken waren von Narben entstellt, die Nasen von Stäben durchbohrt. Die Engländer wunderten sich, was mit den Eckzähnen geschehen war, die in jedem Mund fehlten, Münder, aus denen eine laute und stoßweise Sprache klang. Die Behausungen erbärmlich, zwei, drei Borkenstücke, die sie über eine paar Äste legten, kein Schutz gegen irgendetwas, ihre ganze Existenz beschämte sie, die Nacktheit, der Geruch nach Fisch und Tang, ihre lächerlichen Tänze, aber sie bewunderten ihren schlanken Wuchs, die dunklen, lockigen Haare, und ihre Herzen schienen aufrichtig und unschuldig zu sein. Diese
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