Koala: Roman (German Edition)
eine gute Woche.
Am Sonntag, dem dreiundzwanzigsten März, fingen sie einen Hai, über drei Meter lang, die Leber gab 26 Gallonen Öl. An jenem Tag starb Susannah Blanchett. Sie begrub man in der fremden Erde, weil sie zu Hause einen ordentlichen Packen Stoffzeug aus der Wohnung eines Philip O’Kelly getragen hatte: zwei baumwollene Kleider, einen gefütterten Rock, vier Mützen, davon eine mit Spitzen besetzt, vier Schürzen, acht Taschentücher, ein Leinenhemd, einen Mantel, einen Seidenhut, ein paar Damen-Lederschuhe, zwei Paar Handschuhe aus Leinen. Von Beruf war sie Bedienstete.
Zwischen dem sechsundzwanzigsten und dem letzten März empfing die Erde noch das Kindergebein James Binghams, den man am Tag zuvor im Namen Christi getauft hatte, Sohn von Mary Bingham und John Bingham, einem Möbelschreiner aus Warwickshire, der damals gegen ein Uhr morgens in ein verschlossenes Haus gestiegen und einen Stapel Wolldecken geklaut hatte. Seine Verbannung sollte sieben Jahre währen, und nach den ersten zehn Wochen, an einem Morgen mit einer frischen Brise aus Süden und Westen, begrub er seinen Sohn in einem Winkel am Ende der Welt, jenseits des Wendekreises des Steinbocks und jenseits der Baracken und der zerschlissenen Zelte, sein Kind war der letzte Tote des ersten März.
In all dem Elend war die Moral gefährdet, und so war der Geburtstag des Königs der erste, den man in der neuen Kolonie feiern durfte, eine willkommene Gelegenheit, den Geist und den Leib der Soldaten zu stärken.
Der Gouverneur lud seine Offiziere in die Residenz, tischte jedes Fleisch auf, das man auftreiben konnte, Schwein, Ziege, Geflügel, Känguru, mit Madeira und Port tranken sie auf die Gesundheit ihres Königs, und wenn Phillip den Tisch verließ, um sich einen Moment hinzulegen und seinen kaputten Rücken zu entlasten, dann erhoben die Offiziere ihre Gläser heimlich auch zum Wohl des Gouverneurs.
Nach dem Essen spazierten sie hinunter in die Bucht, wo die Verdammten einen Scheiterhaufen errichtet hatten. Die Flotte in der Bucht feuerte Salven ab, und vielleicht waren es der Lärm und das Feuer, was die Kühe in jener Winternacht verängstigte, sicher war nur, dass sie am nächsten Morgen verschwunden waren und mit ihnen einer der Verdammten, ein Sträfling namens Edward Corbett, den man verdächtigte, die Tiere freigelassen zu haben. Aber man konnte ihn vorerst nicht befragen, Corbett sollte achtzehn Tage in den Wäldern bleiben. Er hörte die Vögel und die Schreie wilder Tiere in den Bäumen, er sah, wie der Schnee in großen Flocken in die Bäume fiel, wie zu Hause, am anderen Ende der Welt, in England, und er sah noch einmal die Richter Ashurst und Knapp im ›Old Bailey‹, die ihn wegen eines Leinensacks und zweier gestohlener Fensterscheiben zuerst auf die ›Ceres‹ in Woolwich schickten und danach zu sieben Jahren Verbannung verurteilten. Es war nicht der Hunger, der ihn zurücktrieb, und es war auch nicht der Kopf des Sträflings, den die Wilden einige Tage vor seiner Flucht entführt hatten und den Corbett aufgespießt neben einem erkalteten Feuer fand, es war das Beben, das an jenem Wintermorgen die Erde erschütterte und das er als Zeichen nahm, von seinem Weg abzukehren, zurückzukehren zu seinen Leuten und um Vergebung zu bitten.
Sie fanden ihn bis auf das Gerippe abgemagert bei den Gemüsegärten des Gouverneurs. Brachten ihn ins Gefängnis, befragten ihn über die verschwundenen Kühe, die sie zwei Wochen lang gesucht hatten, ohne die geringste Spur von ihnen zu entdecken, aber Corbett bestritt, etwas damit zu tun zu haben. Am Tag darauf trieben sie ihn zum Baum zwischen dem Männer- und dem Frauenlager und hängten ihn gemeinsam mit einem Burschen auf, David Cole, den man am Abend des Königgeburtstags an der Lade des Offiziers Wright überrascht und niedergeknüppelt hatte. Der Arzt verwendete seine ganze Kunst, um den Kerl wenigstens halbwegs wieder auf die Beine zu bringen, damit man ihn ordentlich aufknüpfen konnte.
Es war eine schnelle, saubere Exekution, ohne großen Aufmarsch, ohne die ganze Kolonie antreten zu lassen, man fürchtete eine weitere Blamage. Zur Abschreckung reichte es, wenn man die Leichen eine Weile an den Stricken hängen und unter den baumelnden Leichen ein paar Sträflinge auspeitschen ließ.
Die Beziehungen zu den Eora entwickelten sich alles in allem erfreulich. Sie fürchteten die Gewehre und die Säbel, und dass die Engländer nicht willkommen waren, bekamen nur die Verdammten zu
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