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Koala: Roman (German Edition)

Koala: Roman (German Edition)

Titel: Koala: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Bärfuss
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Das Radio spielte dieselbe Musik, die Tasse stand da, wo ich sie vor dem Gespräch hingestellt hatte, der Kaffee war noch warm, selbst der Nachbar rauchte auf dem Balkon an derselben Zigarette.
    Irgendwann wählte ich die Nummer des Mannes, der meinen Bruder gefunden hatte. Er bestätigte den Bericht der Vorgesetzten. Ich erinnere mich, dass zu Beginn dieses Gespräches eine Beklemmung entstand, weil der Freund sich verpflichtet fühlte, mir als Bruder des Verstorbenen zu kondolieren – und ich dasselbe ihm gegenüber als Freund empfand, der ihn besser gekannt hatte als ich. Vielleicht lag es an dieser ungeklärten Situation, wer nun wem das Beileid auszusprechen hatte, dass ich mich schuldig fühlte und versprach, noch am selben Tag in unsere Heimatstadt zu reisen. Was ich dort wollte und wozu man mich benötigen könnte, war mir nicht klar, aber ebenso wenig wusste ich, was ich sonst hätte tun sollen, und ich vermutete, dass dies den ganzen Tag so bleiben würde.
    So machte ich mich auf, nahm am Bahnhof wieder den Zug, den ich erst ein halbes Jahr vorher bestiegen hatte, und wie damals war der Anlass ein Selbstmord. Als ich ankam, hatte die Dämmerung eingesetzt, und nach einem Fußmarsch von zehn Minuten, der mich in die Gegenden auf der Rückseite des Bahnhofs und durch erstaunlich schmale Straßen und verblüffend lebendige Kindheitserinnerungen führte, kam mir auf der Straße ein Mann entgegen, in dem ich den Freund meines Bruders erkannte. Nach einer stillen, aber herzlichen Begrüßung führte er mich in sein Haus jenseits der Geleise, die tiefer in die Berge führten, dem Hochgebirge entgegen, das sich dunkel am Horizont erhob.
    Sein Haus war ein einstöckiges Gebäude, das wir durch den Garten betraten. An einem Tisch saß ein Mann, den ich seit Jahren nicht gesehen hatte. Er war jünger als der Hausbesitzer, und es erwies sich, dass sie gemeinsam die Wohnung des Toten betreten hatten und den Schrecken teilten, der von der frischen Leiche eines Freundes ausgeht. Aber es schien, als habe dieser Schrecken mit verschiedenen Griffeln in ihre Gesichter geschrieben und bei jenem, der am Tische saß, harte, wütende Zeichen hinterlassen, beim anderen aber, dem Hausbesitzer, weiche und erstaunte.
    Noch vor wenigen Tagen, so erzählten sie mir, hatten sie mit meinem Bruder an jenem Tisch gesessen und die Würfel geworfen, einen Abend, wie sie übereinstimmten, in gelöster, wenn auch nicht ausgelassener Stimmung verbracht. Die leichte Bedrückung, die sie an meinem Bruder bemerkten, beunruhigte weder den einen noch den anderen, nicht nach den Zeiten, die mein Bruder durchgemacht hatte, nicht nach dem, was sie über seine Launen wussten.
    Jeder von ihnen, so stimmten sie überein, habe an jenem Abend Partien gewonnen und verloren, das Glück und das Pech seien gerecht auf die drei Spieler gefallen, ein Omen habe sich nicht gezeigt. Man müsse wohl, darin waren sich die Männer einig, gewisse Worte heute als Andeutungen verstehen. Ja, er werde sich verabschiedet haben, im Geheimen, er für sich alleine, ohne sich zu offenbaren.
    Nach diesen Worten fielen beide in ein Schweigen, als kehrten sie zu jenem Moment zurück, der ihnen vor drei Tagen als ein Abschied zur Nacht erschienen, tatsächlich eine Trennung für immer gewesen war.
    Später, nachdem der Geist das von Kerzen spärlich beleuchtete Zimmer wieder verlassen und die beiden Freunde sich gefasst hatten, bestanden sie darauf, dass jedes Erstaunen über seine Tat unangebracht sei, er seinen Entschluss bei vollem Bewusstsein getroffen habe. Die Entschlossenheit, mit der mein Bruder ans Werk gegangen sei, entspreche ganz und gar seiner Persönlichkeit, die Tat widerspiegle seinen Charakter, und man müsse ihm für die Umsicht Respekt zollen. So habe er die Wohnungstür entgegen seinen Gepflogenheiten nicht abgeschlossen, damit beim Betreten der Wohnung keinerlei Gewalt nötig sein würde und unnötiger Sachschaden vermieden werden konnte. Und er hatte seinen spärlichen Besitz geordnet, die Leihgegenstände mit Haftnotizen versehen, darauf die Namen der Eigentümer.
    Er habe es gewollt, meinte der Jüngere, er könne dies bezeugen, denn mehr als einmal habe man bei einem Bier, halb im Spaß, halb im Ernst die beste Methode für einen sauberen Abgang erörtert, und sie seien sich einig gewesen, dass kein besserer, schmerzloserer Weg zu finden sei als eben jener, den er nun gewählt habe. Bei dieser Gelegenheit nannte er meinen Bruder bei dessen anderem Namen,

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