Koch zum Frühstück (German Edition)
Kann ich irgendwie nachvollziehen.
»Mhm«, er mustert den Kram, der vor ihm auf der Arbeitsplatte steht, scheint aber zufrieden.
»Du kannst ruhig die Maschine nehmen«, schlägt sie vor.
»Welche Maschine?«
»Meine.«
»Das ist keine Maschine, das ist eine Katastrophe«, murrt er und beginnt mit einem Schneebesen die Eier mit der Milch zu verrühren.
Er ist ziemlich konzentriert in dem, was er tut, und er sieht jedes Mal, wenn ich hinsehe, nicht zu mir rüber. Also traue ich mich und beobachte ihn, wie er mit schnellen, routinierten Bewegungen den Teig rührt, ein bisschen Mineralwasser dazu gibt und dann das Mehl aus ziemlicher Höhe mit der Hand hineinrieseln lässt. Dabei reibt er seine Finger irgendwie komisch über den Handballen. Hab' ich so noch nie gesehen. Aber er hat hübsche Finger. Lang und schmal und – obwohl es mich eigentlich nicht interessiert – muss ich unauffällig nachsehen, ob er einen Ehering trägt. Tut er nicht. Aber vermutlich hat er ihn zum Kochen einfach abgezogen. Oder er trägt nie einen. Könnte mir vorstellen, dass so ein Teil in seinem Job eher hinderlich ist.
»Wie magst du die Pfannkuchen? Süß oder salzig?«
Ich bin zu langsam, als er aufschaut. Er erwischt mich und unsere Augen treffen sich. Ich lächle dämlich. Er erwidert es nicht. Na toll. Vermutlich kann er sich doch erinnern und war vorhin einfach nur freundlich, weil Nina dabei war. Denn so, wie er mich ansieht, ist da dieses vage Gefühl in mir, dass ich ihm bekannt vorkomme. Und ein anderes, nicht ganz so vages, in meinem Magen… Gott… diese Augen… krass, echt… Sie sind mir schon bei der Kleinen aufgefallen. Allerdings hatten sie da zum Glück nicht diese Wirkung auf mich. Aber bei ihm ist es mal wieder ein klassischer Fall von: ‚In meiner Freizeit steh' ich heimlich auf Heten‘ .
»Süß«, antwortet Stella schüchtern.
Komisch, dass er das nicht weiß. Immerhin ist er ziemlich offensichtlich ihr Vater. Denn bei näherem Hinsehen ist sie ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Die gleichen, hellen Augen, das blonde Haar, eher blasse Haut mit ein paar vereinzelten Sommersprossen. Lediglich das Grübchen am Kinn, das ich ziemlich anziehend finde, hat sie nicht. Obwohl ich eigentlich immer gedacht hatte, so was sei erblich. Aber vielleicht bekommt sie es ja noch, wenn sie größer wird. Wobei ich nicht glaube, dass es an Frauen besonders sexy ist. Bei Kerlen ist es das. Jedenfalls bei dem da drüben in Ninas Küche.
Ich sollte da nicht mehr hinsehen. Sonst wird's offensichtlich und ziemlich peinlich. Es endet selten erfolgreich, wenn man als Schwuler versucht, einen Hetero anzuflirten.
»Süß also«, sagt er, während er sich rüber zu den Oberschränken dreht. »Na, dann schauen wir doch mal, ob Nina Zucker da hat.«
Anscheinend hat er mit salzig gerechnet. Seltsam. Überhaupt geben die beiden, von der optischen Ähnlichkeit mal abgesehen, ein ziemlich eigenartiges Bild ab. Auf der einen Seite Stella, dieses schüchterne, kleine Mädchen in verwaschenen Klamotten, das kaum auf ihn reagiert, und auf der anderen Seite er, der deutlich mehr Wert auf sein Erscheinungsbild zu legen scheint als auf das seiner Tochter, dafür aber nicht die geringste Ahnung hat, wie sie ihre Pfannkuchen mag.
Vielleicht bedeutet der nicht vorhandene Ehering ja, dass er gar nicht mit ihrer Mutter zusammen ist und er seine Tochter nicht besonders häufig sieht. Vermutlich hat man als Koch in seiner Position auch nicht unbedingt viel Zeit für ein Kind. Ihr Verhalten ihm gegenüber würde zu sowas passen.
»Zur Not hab' ich welchen«, sage ich. Ich glaube zumindest, dass wir welchen dahaben. Dirk trinkt seinen Kaffee mit Zucker. Aber Würfel hasst er. Er ist da ein bisschen eigen. Ich hab' ihm Weihnachten mal so einen Zuckerstreuer gekauft, wie sie ihn in Cafés haben.
»Hab‘ ihn gefunden.« Triumphierend hält er mir eine Zuckertüte hin und grinst. Wow… ich mag das irgendwie.
»Magst du nicht mithelfen? Wir beide könnten doch schon mal eine Pfanne suchen«, schlage ich Stella vor, weil er mich nervös macht und ich mir ziemlich dämlich dabei vorkomme, ihn anzustarren, während er jetzt Zucker in den Teig rührt.
Ich will ihn nicht anstarren. Wirklich nicht… aber ich muss irgendwie. Ist quasi ein Reflex. Außerdem ist die aufgeschlagene Fernsehzeitschrift nicht unbedingt eine Alternative. Wo bleibt eigentlich Nina mit meinem Paket?
»Okay«, sagt Stella, steht vom Sofa auf, bleibt dann aber ein bisschen
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