Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
dessen schämen? Ich bleibe Gepäckträger, und wenn ich zehn Pferde laufen habe!‹ So ist Papa eben.«
»Deine Mama ist eine sehr schöne Frau, nicht wahr?«
»Ich glaube, ja.« Sophie hatte verlegen zu Boden geblickt, die Fürstin hatte ihr über das blonde Haar gestreichelt, ihr einen Kuß auf die Stirn gegeben und sie mit einer großen Bonbonniere beschenkt. Pralinen aus Frankreich waren es. Sophie hatte so etwas noch nie gesehen. Es waren sogar welche mit Alkohol gefüllt darunter, und Sophie mußte husten, als sie die erste davon zerbiß.
Elena von Suttkamm war konsterniert. Sie hatte von Ihrer Durchlaucht noch nie Pralinen bekommen, nicht einmal eine einzige hatte man ihr angeboten, und die kleine Mamsell erhielt einen ganzen Kasten. Was hatte das zu bedeuten?
Entrüstet lehnte die Baronin von Suttkamm ab, als Sophie ihr ahnungslos eine Praline aus der Bonbonniere offerierte. »Merken Sie sich eins, Mamsell«, sagte sie würdevoll, »eine bedienstete Person – das sagt schon das Wort – ist zum Dienen da. Zu nichts sonst! Sie bietet auch nichts an, sie empfängt! Gesten wie die Ihre mögen vielleicht in Bückeburg geduldet sein, auf Pleß können sie zur Beleidigung werden.«
Verwirrt, betroffen, die Bonbonniere unter den Arm geklemmt, erschien Sophie in der Küche, setzte sich in eine Ecke und befolgte den Rat ihrer Mutter: Wenn du Kummer hast, weine. Nichts ist besser als weinen.
»Diese Suttkamm!« sagte Wanda verächtlich, als Sophie ihr alles erzählt hatte. »Ein in die Ecke gestelltes, unbefriedigtes Frauenzimmer ist sie! Und du bist jung und hübsch – das kann sie nicht vertragen. Wir haben es ihr alle gegönnt, daß Leo Kochlowsky sie sitzenließ.«
Da war er wieder, der geheimnisvolle Leo Kochlowsky! Von dem alle sprachen, den die einen haßten, andere heimlich bewunderten, der ein Monstrum sein mußte oder ein mißverstandener Mensch, wie Reichert behauptete.
Ob er meinen Zettel bekommen hat? dachte Sophie und blickte in die Bonbonniere. Jetzt soll er krank sein. Kümmert sich jemand um ihn?
»Die Baronin war seine Freundin?« fragte sie, während Wanda unter den Pralinen nach einer mit Kirschwasserfüllung suchte.
»Ein Jahr lang lief sie herum wie auf flammenden Sohlen. Und dann kam der Tritt … Das war übrigens das erste Mal, daß wir mit Kochlowsky einer Meinung waren.«
»Ist er so schrecklich?«
»Ein Teufel!« sagte Wanda Lubkenski und hatte ihre Kirschwasserpraline gefunden. »Wenn du ihm jemals begegnest, was ich verhindern werde, solange ich kann, schlage ein Kreuz und lauf schnell weg!«
Sophie nickte gehorsam – aber die Neugier in ihr wuchs unaufhaltsam.
IV
Es traf ein, was Leo Kochlowsky geahnt hatte: Katja blieb verschwunden, spurlos. Aber Jan Pittorski lief herum, als sei nichts geschehen, ritt weiterhin die Pferde zu, saß im Wirtshaus, spielte Karten oder Billard, strotzte vor Lebensfreude und war jedermann sympathisch.
Das alles hinterbrachte man Leo ins Verwalterhaus, schriftlich oder mündlich, denn noch immer plagte den ›Feldherrn‹ die böse Angina. Erst nach zehn Tagen und nachdem er Caesar mit blutigem Fleisch so toll gemacht hatte, daß er ihn an einer Kette führen mußte, weil ein Lederstrick zu leicht reißen konnte, wagte sich Kochlowsky wieder unter die Menschheit.
Er ritt über die Felder, den knurrenden Hund mit der Kette am Sattelgurt festgebunden, und fand alles verwahrlost in diesen zehn Tagen. Die Landarbeiter bezeichnete er als arbeitsscheues Pack.
Geduckt nahmen die Polen seine Beschimpfungen hin. Ihr Gebet war nicht erhört worden, die Madonna taub geblieben: Kochlowsky lebte noch. Das Fieber hatte ihn nicht gefressen. Denn daß er krank gewesen war, glaubte jeder. Nichts anderes gab es, einen Kochlowsky davon abzuhalten, den satten, duftenden Sommerfrieden durch sein Gebrüll zu stören.
Bei der Kälbermästerei traf Leo – sein Herz tat ein paar rasche, harte Schläge – auf Jan Pittorski. Es war ein Ort, wo er den Polen am allerwenigsten erwartet hätte. Was hat ein Bereiter bei den Kälbern zu suchen?
Leo stieg vom Pferd, nahm Caesar an die lange Kette und ging auf Pittorski zu. Mit dem Hund an der Seite fühlte er sich sicher. Wenn Caesar ›Faß!‹ hörte, wurde er zum Tiger. Kochlowsky hatte in den zehn Tagen seiner ›Krankheit‹ mit ihm gearbeitet. Immer wieder hatte er einen Holzknüppel durchs Zimmer geworfen und gerufen: »Faß!«
Es war sehenswert, was von dem Knüppel übriggeblieben war – und es mußte
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